wahrenden Institutionen wie Museen, Bib- liotheken und Archiven. Daher gibt es die Provenienzforschung auch schon relativ lange. Gerade im Bereich der Kunst und Kunstgeschichte kann sie beispielsweise da- bei helfen, die Echtheit von Werken zu bele- gen. Das ist unter anderem auch für den Kunstmarkt wichtig, auf dem eine gute oder prominente Provenienz übrigens auch den Wert eines Kunstwerks steigern kann. Aber ja, heute besteht die wichtigste und dringlichste Kernaufgabe der Provenienz- forschung vor allem darin, NS-verfolgungs- bedingt entzogenes Kulturgut oder Raub- gut aus anderen Verfolgungskontexten, das sich nach wie vor in zahlreichen Samm- lungen befindet, zu identifizieren und ge- meinsam mit den rechtmäßigen Erben ge- rechte und faire Lösungen zu finden. Die Grundlage hierfür bilden die „Washingtoner Prinzipien“, zu denen sich Deutschland zu- sammen mit 43 anderen Staaten und 13 Nichtregierungsorganisationen 1998 ver- pflichtet hat. Zwischen 1933 und 1945 fand ein massiver Kunst- und Vermögensraub insbesondere an der jüdischen Bevölke- rung statt. Für die Suche nach NS-Raubgut ist daher notwendig, zu klären, ob die ent- sprechenden Vorbesitzerinnen und Vorbe- sitzer von den Repressionen und der Verfol- gung durch den NS-Staat betroffen waren und unter welchen Umständen das Kulturgut in diesen Jahren den Besitz gewechselt hat. Demnach untersuchen Sie nicht alle Objekte, die das Museum in seiner Sammlung hat? Richtig – man muss die zu überprüfenden Objekte natürlich etwas eingrenzen. Das vom Deutschen Zentrum Kulturgutver- luste geförderte Projekt, in dem ich hier am Gustav-Lübcke-Museum arbeite, hat zu- nächst das Ziel, die Sammlung auf NS-Raub- gut zu überprüfen. Aus diesem Grund unter- suche ich nur Kulturgüter, die vor 1945 entstanden sind oder die nach 1933 der Sammlung zugegangen sind. Und da diese Gruppe immer noch einen relativ großen Teil der insgesamt über 20.000 Sammlungs- objekte des Museums ausmacht, beginne ich zunächst im Sammlungsbereich Kunst mit 70 ausgewählten Gemälden und Graphi- ken, die zwischen 1933 und 1962 in die Sammlung gelangt sind und deren Proveni- enzen bislang unklar sind. Diese 70 Werke sind aber nur der Anfang – der Sammlungs- bereich der Kunst ist damit natürlich noch längst nicht komplett überprüft. Welche Objekte, Zugangs- und Entstehungsjahre relevant sind, hängt im Übrigen vom je- weiligen historischen Zusammenhang ab. Es gibt auch Museen und Kolleginnen und Kollegen, die je nach Sammlung und Samm- lungsgeschichte nach Raubgut aus kolonia- len Kontexten oder der Zeit der DDR suchen. Wie sieht denn konkret die Arbeit eines Provenienzforschers aus? Man beginnt in der Regel mit den Quellen und Informationen, die vor Ort im Museum verfügbar sind. Das sind zum einen Inven- tarbücher, Geschäftsakten und Korres- pondenzen und zum anderen die Objekte selbst. Die Zugangs- und Inventarbücher geben oftmals Aufschluss über die letzten Vorbesitzerinnen und Vorbesitzer. Manch- mal hat sich darüber hinaus sogar ein kleiner Schriftverkehr zum Zugang erhalten, aber leider sind die Aktenbestände oft lücken- haft – besonders was die NS-Zeit angeht. Aus diesem Grund ist es wichtig, auch die fraglichen Sammlungsobjekte selbst in den Blick zu nehmen – und hierbei vor allem die Rück- oder Unterseiten. Denn dort kön- nen sich mit handschriftlichen Vermerken, alten Inventarnummern, Aufklebern oder Stempeln sogenannte Provenienzmerkmale von Vorbesitzerinnen und Vorbesitzern be- finden. Die aus diesen ganzen Recherchen gewonnenen Erkenntnisse bilden den Aus- gangspunkt für die weitere Forschung. Was lässt sich über die Vorbesitzerinnen und Vor- besitzer ermitteln? Wann und wie kamen sie in den Besitz des jeweiligen Objekts? Von wem erhielten sie es wiederum? Mög- licherweise wurde das Objekt auch irgend- wann ausgestellt oder auf einer Auktion ver- äußert. Inzwischen gibt es glücklicherweise zahlreiche digitalisierte Ausstellungs- und Auktionskataloge, die ebenfalls wichtige Erkenntnisse für die Provenienzforschung liefern können. Die Ansätze sind demnach sehr vielfältig. Das klingt nach einer richtigen Detektiv- arbeit. Was passiert mit ihren „Ermitt- lungsergebnissen“? Ja, der Vergleich mit der Detektivarbeit wird gerne gezogen und es gibt da auf jeden Fall auch ein paar Gemeinsamkeiten. Aktuell ist es noch zu früh, um seriöse Aus- sagen über Ergebnisse treffen zu können. Sofern sich Objekte eindeutig als verfol- gungsbedingt entzogen identifizieren lassen, wird das Museum mit den rechtmäßigen Besitzerinnen und Besitzer nach einer fairen und gerechten Lösung suchen. Das Gustav- Lübcke-Museum hat zum Beispiel 2019, also einige Zeit vor dem Projekt, bereits zwei Kul- turgüter an die heutigen Erben restituiert. Aber auch die Lücken und offenen Fragen, die es in manchen Fällen geben wird, gilt es, im Sinne der Transparenz kenntlich zu machen und zu veröffentlichen. Sobald konkrete Ergebnisse vorliegen, wird das Gustav-Lübcke-Museum ausführlich da- rüber informieren. Für 2023 ist zum Bei- spiel eine Studio-Ausstellung mit begleiten- der Publikation zu den Forschungser- gebnissen geplant. Und auch davor wird es sicher immer wieder Einblicke in meine Arbeit geben. I 21