Erlebnisraum Lippeaue

Hammmagazin_12_2016_Sonder

LLiieebee LLeserrinnen uund Leser!!! „Schon an dieser Stelle ist ein herzliches Dankeschön an den Lippeverband zu richten: Die vertrauensvolle Zusammenarbeit war die Basis für den Erfolg der beiden l l l i i i D ld f ld f U ld f U mm 1.1. Dezzember haben wiwir r die Konnzepeppeptiion für dadas PProjekt „Erlebensraum LiLippp eaue“ auauauf f fff den Weg ins Düsseldorfer Umweltministerium ge- W i Dü W bracht, in dem über mögliche Förderungen aus dem Sonderprogramm „Grüne Infrastruktur“ entschieden wird. Wir wissen nicht, wie die Konzeption aufgenommen wird und welche Einzelprojekte tatsächlich Unterstützung erfah- ren. In jedem Fall wissen wir aber, dass wir in den vergangenen Wochen und Monaten Herausra- gendes geleistet haben, um die Konzeption recht- zeitig fertigzustellen. Dafür gilt allen Beteiligten ein herzliches Dankeschön. Wir rechnen bis April mit einer Rückmeldung aus dem Ministerium. Erst danach können wir wirklich abschätzen, wie es mit dem Projekt „Erlebensraum Lippeaue“ konkret weitergeht. Schon heute kann ich sagen, dass ich von diesem Konzept mit seinen unterschiedlichen Maß- nahmen und Projekten in allen Teilbereichen überzeugt bin. Mit dem Projekt „Erlebensraum Lippeaue“ bergen wir einen riesigen Schatz, der zu großen Teilen mitten in unser Innenstadt liegt. Der Kernbereich umfasst die Fläche zwischen Fährstraße und Münsterstraße, die von der Kanalkante aus auf besonders attraktive Weise erreicht werden soll – nämlich in Form einer Seilbahn. Die Zukunft wird zeigen, ob diese erste Planung tatsächlich zu realisieren ist. Im Kern- LIFE-Projekte – und auch diesmal werden wir das Projekt ‚Erlebens- raum Lippeaue‘ nicht alleine umsetzen können.“ Thomas Hunsteger-Petermann i b b b A A bbeb reich soollen Gastro- nomie, Spiele plätze und weitere Angebote ent- stehen, um hohe Aufent- haltsqualität zu schaffen. Vor allem über die „Strand- arena“ schaff en wir im Auenpark einen direkten Zugang zum Wasser. Bei allen Planungen stehen das Erleben von Natur sowie der Schutz von Tieren und Pfl anzen im Vordergrund: Schließlich haben die beiden LIFE-Projekte gezeigt, wie groß der Reiz von un- berührter Natur ist. Durch eine zusätzliche Schleife gibt unser Kooperationspartner Lippe- verband der Lippe ihren natürlichen Lauf zurück. Insgesamt wird die Lippeaue auf einer rund 195 Hektar großen Fläche weiterentwickelt, die von Heessen bis nach Bockum-Hövel reicht: Nicht nur deshalb handelt es sich hier um ein gesamt- städtisches Projekt, mit dem große Chancen für die Weiterentwicklung unserer Stadt einher- gehen – und auf das sich alle Bürgerinnen und Bürger heute schon freuen dürfen. Ih Ihr Thomas Hununununuununuunuununnuuuuuuuuuuuuuuu steger-Petermann Oberbürgermeister der Stadt Hamm / 3

l y e s s o B s n a H : o t o F 4 / titititiefefefefunununung g gg rararaaububuubt t t dedeem m FlFllususussss didiee MöMöMöMöM glglglglicicicichkhkkeieiteteten nn zuuzur r EnEnEnEntwtwtwicicccklklkklununung g g eieinenerr arartetenrnreieichchenen FFFlolooorarar uuuundndn FFauaunana ininn uuundndnd aam m mm GeGeGewäwässsserer. DaDaheheh r r wowollllennen wwirirr ddddieieie LLLipippepe, dodoodortrtrtrt wwwooo dededer rr PlPlP atz z eses zzulu äsässtst,, kükünftnftiiiig g wiwiw edededer fffrerereier fl flfl ieieeßeßeßeß n n n lalalaassssssssenene – undnd mitit eeininnigigenen zzusssätätätzlzlzliccicheheheh n nn KuKuKuK r-rr- veveveven n ununu d dd MäMäMM ananaa deddernrn nnnnehehe mememem n nn wiwir r ihhihr rr auauauchchch dddieieie hhhohohohe FlFlFlieieießgßgßgeseeschchchhwiwiwiw nddndigigigkekekeeititt, , wawawaw ss immimmemememensnsns zzururur EEEErhrrhr öhhöhunung gg dedededer r r HoHoHochchchwawawasssssssserere sisichchhcheererheheh ititit ffühühühü rereren nn wiwiw rddrd. 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führt und unzählige Dinge bedacht werden – schließlich umfasst das Projekt „Erlebensraum Lippeaue“ eine Fläche von rund 195 Hektar, bei denen es sich in weiten Teilen um besonders sensible Be- reiche handelt. „Zum einen wollen wir über das Projekt Tiere und Pfl anzen in einem besonderen Maß schützen. Zum an- deren wollen wir die Menschen über das Projekt in die Natur führen – und da- rüber hinaus Angebote für Freizeit und Erholung schaff en. Für das Konzept muss- ten ganz unterschiedliche Interessen in einem Konzept gebündelt werden – zumal die Förderkriterien das entsprechend vor- gegeben haben.“ Genau aus diesem Grund waren in den vergangenen Monaten unzählige Ge- spräche mit Vertretern der unterschied- lichsten Bereiche zu führen: unter anderem mit dem Lippeverband, dem Umwelt- ministerium in Düsseldorf und der Be- zirksregierung Arnsberg. Hinzu kamen die Abstimmungen mit den Kolleginnen und Kollegen im Rathaus, mit Umwelt- und Wohlfahrtsverbänden, mit Land- wirtschaft skammer und -verband sowie vielen weiteren Protagonisten vor Ort. „In vielen Bereichen ist dieses Projekt auch für mich Neuland: Dieses Konzept bietet eine deutlich größere Th emenband- breite als die Projekte der Vergangenheit“, betont der studierte Ökologe, der in den vergangenen Jahren die beiden LIFE-Pro- jekte geplant und durchgeführt hat. „Im Rahmen dieses Konzeptes befasse ich mich mit dem möglichen Bau einer Seilbahn genauso wie mit der Planung eines Er- lebnisbauernhofes, bei dem es auch um so- ziale und pädagogische Aspekte geht.“ Nach der Sondersitzung aller beteiligten Gremien konnte der Förderantrag am 1. Dezember wie geplant im Düsseldorfer Umweltministerium eingehen – dement- sprechend erleichtert zeigte sich Dr. Oliver Schmidt-Formann: „Es gab immer wieder die Momente, in denen ich gedacht habe, dass es verdammt eng wird, im Rahmen der Frist zu bleiben.“ Bis April rechnet die Stadt Hamm mit einer Rückmeldung aus dem Ministerium in Düsseldorf: Bis da- hin kann sich der Leiter des Projektes wie- der verstärkt um die Dinge kümmern, die sonst noch auf dem Schreibtisch liegen – und natürlich um die Familie. ■ / 5 Wettlauf gegen die Zeit Der erste Dezember: Viele Wochen lang war er für Dr. Oliver Schmidt-Formann so etwas wie die rote Ziellinie bei einem Rennen gegen die Zeit. Mal sah sich der Leiter des Projektes „Erlebensraum Lippeaue“ gut in der Zeit, mal ein Stück dahinter. Deshalb wurde bis spät in den Abend an dem Förderantrag für das Sonderprogramm „Grüne Infrastruktur“ geschrieben – und an den Wochenenden meist auch. „Meine Familie hat mich in den vergangenen Wochen eher sporadisch gesehen: Da habe ich bis Weihnachten einiges nachzuholen“, erklärt der Vater von drei Töchtern. Gleichzeitig sei das Projekt „Erlebensraum Lippeaue“ auch für ihn persönlich zu einer tollen Herausforde- rung und echten Herzensangelegenheit „Meine Familie hat mich in den vergangenen Wochen eher sporadisch gesehen: Da habe ich bis Weihnachten einiges nachzuholen.“ geworden: „Da möchte man dann auch alles so gut wie möglich machen, das geht gar nicht anders.“ Aber nicht nur die Fami- lie habe das Projekt von Anfang mitgetra- gen, sondern auch das komplette Umwelt- amt: „Die Kolleginnen und Kollegen haben in den vergangenen Wochen wirklich alles getan, um mich so weit wie möglich zu entlasten.“ Vor dem Schreiben des Kon- zeptes mussten unzählige Gespräche ge-

1 Der „Nienbrügger Berg“ wird als Nah- erholungsgebiet mit einem Aussichtspunkt und einem ornithologisch-archäologischen Lehrpfad ausgestattet. 2 Im Bereich „Borgstätte“ sind durch den Lippeverband eine Laufverlängerung und eine Uferabﬂ achung geplant. Angren- zend entstehen naturnahe Weiden für eine Wanderschäferei, die Teil des Erlebnisbau- ernhofs sein wird (siehe Seite 26). DAS PROJEKTGEBIET 1 2 3 6 Eine Pendel- oder Umlaufseilbahn mit Startpunkt Nordringanlagen könnte die In- nenstadt mit dem Projektgebiet verbinden – indem sie Fahrgäste über die Adenaueral- lee, den Kanal und die Lippe bis hin zum nach hinten verlegten Deich in den Auen- park befördert. Hier sind auch gastronomi- sche Einrichtungen angedacht (Seite 23). 10 /

3 Die Lippeschlinge im Bereich Borgstätte wird den Lauf des Flusses um rund 800 Meter verlängern. Der Lippeverband stellt den durch künstliche Begradigungen und Befestigungen verloren gegangenen, natürlichen Verlauf wieder her – und zusätzlicher, wertvoller Lebensraum für Tiere und Pﬂ anzen entsteht. 4 Im Bereich „Schweinemersch“ wird der Lippeverband die Aue wieder an die Lippe anbinden, zum Beispiel durch das Wiederanle- gen eines alten Lippearms als Flut- mulde und eines Auenwaldes (siehe Seite 22). 5 Der Auenpark ist eine naturna- he Freizeitfläche. Eine durch naturschonende Landwirtschaft be- wirtschaftete Grünﬂ äche wird durch den Lippeverband mit Blänken und Stillgewässern angelegt. Sie soll aber ebenso für Freizeitaktivitäten wie Bouldern, Fußball- oder Frisbee- Golf genutzt werden können (Seite 13). 8 5 7 4 6 n n a H t d a t S : k ﬁ a r G 7Der Lippestrand ist ein Teil des Auenparks und eine naturnahe Liegeﬂ äche am Wasser. Er besteht aus sandigem Bodenmaterial, das hier von Natur aus vorkommt. Auch ein Wasserspiel- platz für Kinder oder feste Grillstellen sind denk- bar – wenn ein Reinigungskonzept gefunden wird (Seite 13). 8 Am „Kentroper Bosmar“ (Bereich zwischen Auenpark und Fährstraße) werden – ebenso wie an verschiedenen anderen Stellen – mit der Rückverlegung des Deiches Überﬂ utungsﬂ ächen geschaffen. Hier entstehen durch Maßnahmen des Lippeverbandes stark vernässte Wiesen, Blänken und Flutmulden – alles, was eine artenreiche Tier- und Pﬂ anzenwelt braucht (siehe Seite 19 bis 21). Neue Fuß- und Radwegeverbindungen führen so durch die Aue, dass die Tier- und Pﬂ anzenwelt geschont wird. Lehrpfade mit zum Beispiel Aussichtstürmen, klei- nen Hügeln oder Holzplankenstegen machen die Natur „erlebbar“. / 11

l e x i p d 3 : k ﬁ a r G Lippestrand und Freizeitpark in der Natur Bisher existieren nur grobe Planungen für den so genannten Auenpark im Rahmen des Projektes „Erlebensraum Lippeaue“. Vieles ist bewusst noch offen. Fest steht aber: Freizeit und Natur werden gleichberechtigt sein. Das knapp 150.000 Quadratmeter große Gebiet des geplanten Auenparks – das entspricht in etwa 20 Fußball- feldern – ist von der Münsterstraße im Westen, dem Flugplatz im Norden, dem Ruderclub Hamm im Osten und der Lip- pe im Süden umgeben. Das Konzept des Auenparks, das es in ähnlicher Form be- reits in Paderborn („Schloss-Auenpark“) und in Lügde („Emmer Auenpark“) gibt, sieht eine natürliche Freizeitfl äche vor: Eine landwirtschaft lich bewirtschaft ete Grünfl äche – beispielsweise als Weide- fl äche für Kühe oder Schafe – mit Blänken und Stillgewässern, die aber ebenso für Freizeitaktivitäten wie zum Beispiel Bouldern, Fußball- oder Frisbee-Golf ge- nutzt werden soll. Beim Frisbee-Golf ver- suchen die Teilnehmer, eine Frisbee- Scheibe in verschiedene daf ür vorgesehene Behälter zu werfen. „Wir sind natürlich noch im Anfangsstadium unserer Planungen für den natürlichen Freizeitpark, aber klar ist: Mensch und Natur werden sich die Fläche teilen. Die Vorgabe für den Auenpark ist, dass das gesamte Gebiet durchgängig für Organis- men und Tiere ist, deshalb werden wir keine Beton-Bauten oder sonstige Barrieren in die Landschaft setzen“, er- klärt Umweltdezernent Jörg Mösgen. Was aus Sicht des Lippeverbandes gegen größere Bauwerke im Auenpark spricht: Er dient auch als Überfl utungsgebiet. Das heißt, dass die Fläche bei einem möglichen Hochwasser für einige Tage unter Wasser stehen würde. Zwar steigt die Hochwasser- Wahrscheinlichkeit durch die geplanten Maßnahmen nördlich der Lippe nicht, allerdings wird alle fünf bis zehn Jahre mit Hochwasser gerechnet, das das Über- schwemmungsgebiet kurzfristig fluten würde. Vergrößert wird das Überflu- tungsgebiet unter anderem durch die ge- plante Verlegung des Deiches um bis zu 125 Meter in Richtung Flugplatz. Allein dadurch werden knapp 50.000 Quadrat- meter neue Überfl utungsfl äche geschaff en. „Der Auenpark kann bei möglichem Hochwasser auch mal überschwemmt wer- den – und das berücksichtigen wir natür- lich bei der Gestaltung des Gebietes“, erklärt Mösgen. Auf die geplante Stranda- rena hätte das Hochwasser wenig Aus- wirkungen, weil der sandige Lehmboden nur punktuell abgetragen würde. Ein feinkörniger „Bahamas-Strand“ ist ohne- hin nicht das Ziel der Strandarena, viel- mehr soll eine naturnahe Liegefl äche am Wasser entstehen. Zudem sind Grillplätze oder ein Wasserspielplatz für Kinder ge- plant. Jedoch: „Klar ist, dass wir bei Grill- flächen und einer Parkanlage auch ein Reinigungskonzept brauchen, denn wir dürfen die Umwelt nicht zumüllen“, ver- deutlicht Mösgen. Ein zentraler Baustein des Auenparks werden die Wander- und Rundwege durch das gesamte Projektgebiet sein, die Be- sucherströme lenken und dadurch be- sonders schützenswerte Naturräume sichern sollen. Denkbar ist beispielsweise, dass die vorgesehene Gastronomie im nördlichen Teil des Auenparks im Mittel- punkt der Rad- und Wanderwege steht. Dadurch wäre auch die geplante Seilbahn, deren Station direkt am Gastronomie- betrieb liegen soll, in das Wegenetz einge- bunden. Es soll quer in alle Richtungen führen – unter anderem mit einem knapp 1,5 Kilometer langen Rundweg um die Strandarena. Allerdings – und das betont der Umweltdezernent stets – befinden sich die Ideen für den Auenpark erst im Anfangsstadium: „Wir wollen einen attraktiven und naturnahen Freizeit- bereich und haben erste konzeptionelle Ansätze. Wenn es aber an die Detail- arbeit geht, dann werden wir die Bevöl- kerung einbinden und versuchen, auf Wünsche einzugehen.“ ■ / 13

„Für die Lippe war es allerhöchste Zeit!“ Jürgen Hundorf ist leidenschaftlicher Naturfreund und zweiter Vorsitzender des Naturschutzbundes NABU in Hamm. Im Gespräch mit dem Hamm-Magazin ordnet er die Maßnahmen der beiden LIFE-Projekte ein – und erklärt, was aus seiner Sicht in den Lippeauen noch getan werden muss. Wie sind Sie zum Naturschutz gekommen? Warum ist Naturschutz wichtig? Hundorf: Ich bin auf einem Bauernhof auf- gewachsen und habe mich schon immer viel mit der Natur beschäft igt. Seit über 20 Jahren wohne ich mittlerweile in Werne- Stockum. Mit den Scheringteichen haben wir dort einen sehr schönen Naturraum. Aber ich habe im Laufe der Zeit auch ge- merkt, dass die Natur bedroht wird und sich verändert: Die Wiesen waren einmal viel artenreicher als heute, die Landwirt- schaft viel weniger intensiv. Die Lebensbe- dingungen für Pfl anzen und Tiere haben sich vielfach deutlich verschlechtert. Des- halb bin ich vor rund 20 Jahren in den NABU Hamm eingetreten und seither im Naturschutz aktiv. Welche Aufgaben sind aus Ihrer Sicht mit dem Naturschutz verbunden? Hundorf: Kernanliegen des Naturschutzes ist es, die Biodiversität zu erhalten oder wiederherzustellen, also die Artenvielfalt bei Pfl anzen und Tieren. Auenlandschaft en als originärer Lebensraum für viele Arten nehmen bei uns in Westfalen eine zentrale Rolle ein. Um naturnahe Landschaft en ent- stehen zu lassen, sind Renaturierungsmaß- nahmen wie die beiden LIFE-Projekte not- 16 /

wendig, aber auch Veränderungen in der Landwirtschaft spolitik. So intensiv, wie Landwirtschaft heute betrieben wird, stel- len Weiden, Wiesen und Felder keinen re- levanten Lebensraum für viele wilde Pfl an- zen- und Tierarten mehr dar. Hier wollen wir informieren und die Menschen, insbe- sondere Entscheidungsträger, auf die Pro- bleme aufmerksam machen. Man kann erfreulicherweise feststellen, dass sich der Stellenwert von Umwelt- und Naturschutz in den vergangenen Jahren spürbar erhöht hat. Das Bewusstsein für den Umwelt- schutz hat in der Bevölkerung zugenom- men, es sind viel mehr Menschen im Na- turschutz aktiv als noch vor ein paar Jahren. Und die beiden LIFE-Projekte oder die Planungen zum Erlebensraum sind deutli- che Signale, dass Naturschutz auch in der Politik und in der Verwaltung wieder eine große Rolle spielt. Wie bewerten Sie die beiden LIFE-Pro- jekte? Was erachten Sie als besonders wertvoll, wo sehen Sie noch Handlungs- bedarf? Hundorf: „Ich habe mich sehr gefreut, dass die Stadt Hamm und der Lippeverband den Weg eingeschlagen haben, die Lippe zu renaturieren und etwas für die Natur auf dem Hammer Stadtgebiet zu tun. Für die Lippe war es allerhöchste Zeit für Maßnahmen! Der Verlauf war stark be- gradigt, Altarme waren komplett vom Fluss abgeschnitten. Das Gebiet um die Lippe war trocken und deshalb ziemlich unbelebt, an eine intakte Auenlandschaft war damals gar nicht zu denken. Was sich da in der Zwischenzeit getan hat, ist ein Segen für Flora und Fauna. Auch das An- liegen, die Bevölkerung in die Lippeauen zu holen, trage ich mit. Natürlich muss man immer abwägen: Was ist für die Natur das Beste? Wie können wir sie trotzdem für die Menschen erlebbar machen? Als Natur- schützer ist meine Priorität grundsätzlich klar bei der Natur. Aber nur was der Mensch kennt, ist er auch bereit zu schützen. Des- halb fi nde ich den eingeschlagenen Weg, etwa die Beobachtungsposten und die Lippefähre, auch gut. Es bleibt aber elementar wichtig, die Be- völkerung, Naturschützer und Natur- nutzer an einen Tisch zu bringen, um die Lippeauen als Schutzgebiet weiter zu ent- wickeln. Was muss aus Ihrer Sicht noch getan werden? Hundorf: Es gibt verschiedene Stellschrau- ben, an denen noch gedreht werden muss. Die Vernässung der Lippeauen hätte in meinen Augen in noch viel größerem Maße geschehen müssen. Je nasser die Auenland- schaft ist, desto näher kommen wir an den natürlichen Zustand. Und geben vielen seltenen Arten einen wertigeren Lebens- raum. Ich denke hier an den Kiebitz, die Uferschnepfe oder bestimme Entenarten. Wer den ersten Schritt geht, muss hier auch den zweiten gehen – auch die Land- wirtschaft muss sich diesen Schutzzielen anpassen. Vielleicht passiert in dieser Hinsicht ja etwas im nächsten Projekt, auch wenn sich das wohl eher auf andere Flächen konzentrieren wird. Hier sehe ich auf jeden Fall Handlungsbedarf in den bisherigen Projektgebieten. Sie sprechen den Erlebensraum Lippeaue an. Was erhoffen Sie sich von dem Projekt? Hundorf: Erst einmal bin ich begeistert, dass die Initiative zu dem Projekt aus der Verwaltung und der Hammer Politik selbst gekommen ist. Das zeigt, dass der Naturschutz seinen berechtigten Platz in unserer Gesellschaft einnimmt. Eine rein fl ächenmäßig fortschreitende Renaturie- rung ist für sich genommen schon sehr wertvoll. Ziel sollte daher sein, so viel Fläche wie möglich in den Besitz der öff entlichen Hand zu bringen. Nur so ist ein naturnahe Umgestaltung und Nut- zung der Landschaft dauerhaft gewähr- leistet. Mir liegt besonders am Herzen, dass die Naturschützer wie wir vom NABU eng in die Projektarbeit und in die Planungen mit einbezogen werden. Das hat mir, da bin ich ehrlich, bei den beiden LIFE-Projekten doch gefehlt. Aber die Signale, die wir bisher bekommen, werte ich als Zeichen für eine deutlich engere Zusammenarbeit: Wir haben das Ge- fühl, ernst genommen zu werden. Konkret hoff e ich auf eine fl ächenmäßig weitere und vielleicht intensivere Renaturierung. Durch eine Deichrückverlegung, die Anhebung des Lippebettes oder weitere Lippeschlingen – immer unter Berück- sichtigung der bereits vorhandenen wert- vollen Lebensräume. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Jetzt liegt es an uns, sie zu nutzen! ■ / 17

m o c . a i l o t o F , l u a r g o k ir M o: ot F DÜNEN Wie? Der beim Ausbaggern der Flutmulden und Blänken vor- gefundene Sand wird als Dünen in der Aue belassen. Für wen? Die trockenen und nährstoff armen Standor- te sind in der ansonsten feuchten Aue wichtige Lebens- räume für zum Beispiel Käfer, Wespen und bestimm- te Vogelarten wie den Flussregenpfeifer. FLUCHT- HÜGEL Wie? Einige Flächen werden als Grünland mit we- nigen Tieren beweidet oder gemäht – also natur- schonend landwirtschaft lich genutzt. Damit die Weidetiere bei Hochwasser keine nassen Füße be- kommen, werden Fluchthügel angelegt, auf die sich die Tiere zurück- ziehen und vom Landwirt versorgt werden können. Wer proﬁ tiert? Durch hoch anstehendes Grundwasser und/oder nicht abfließendes Oberflächenwasser entstehen Feuchtwiesen, die einen Lebensraum für hoch spezialisierte Tier- und Pfl anzenarten bieten – zum Beispiel für Wiesenbrüter wie den Kiebitz, die Bekassine, die Ufer- Foto: B u n z e l D r ü k e ENTFES- SELUNG Wie? Die Ufer der Lippe wurden in der Vergangen- heit mit Steinen befestigt, um Uferabbrüchen und dem damit verbundenen Verlust von landwirtschaft - lichen Flächen vorzubeugen. Dieses „steinerne Kor- sett“ wird nun durch Abbaggern entfernt. Wer proﬁ tiert? Durch die Kraft des Wassers wird nun immer wieder Ufermaterial abgetragen und an anderer Stelle angelagert, so dass strukturreiche Ufer entstehen. Diese sind wichtige Lebensräume für Insek- ten und Vögel. So legen zum Beispiel Uferschwalben und Eisvögel in den frisch abgebrochenen Steilwänden ihre Brutröhren an. 20 /

FLUT- MULDEN Wie? Bereits vorhandene Ge- ländesenken werden durch Abgrabungen mit dem Bag- ger vertieft und eine Verbin- dung zur Lippe hergestellt. So bildet sich eine of- fene Wasserfl äche, die nur bei extrem niedrigen Grundwasserständen und/oder Pegelständen der Lippe trocken fallen wird. Wer proﬁ tiert? Bei höheren Wasserständen strömt Lippewasser in die Flutmulden hinein, die vor al- lem für Wasservögel ein attraktiver Aufenthaltsort sind. In den Wintermonaten sind solche Bereiche ein wichtiger Rastplatz für Zugvögel. F o t o : Stadt Hamm / 21 VERNÄSSUNG VON WIESEN Wie? Zur besseren Bewirt- schaft ung der Flächen wur- den Drainagen und Abfl uss- gräben angelegt, die Grün- landf lächen entwässern und damit den Grundwasserspiegel senken. Um den natürlichen Zustand wieder herzustellen, werden diese Gräben nun wieder verschlossen. schnepfe und den Wachtelkönig. Auch Graugänse und Weiß- störche, die hier genügend Nahrung wie Mäuse, Frösche, Ei- dechsen, Regenwürmer oder Eier fi nden, profi tieren. DIE AUE WIRD ERLEBBAR Naturschutz, Naherholung und Naturerlebnis sind verein- bar: Durch das Anlegen neuer Wege und Lehrpfade werden Besucherinnen und Besucher so durch die Aue geführt, dass die Tier- und Pfl anzenwelt geschont wird. Holzplanken- Stege führen über das Wasser, Aussichtshügel und Aussichts- türme ermöglichen einen Überblick über die Aue und das Beobachten seltener Tiere. An den Wegen und Pfaden sowie den Orten zum Verweilen und Ausruhen informieren Tafeln über die Tier- und Pfl anzenwelt, die besonderen Lebensräu- me der Lippeaue sowie das richtige, „naturschonenende“ Verhalten im Projektgebiet.

AUWÄLDER Wie? Für den Auwald werden vereinzelt typische Arten wie zum Beispiel Stieleiche, Hainbuche, Erle, Esche und Schwarzpappel gepfl anzt. Diese vermehren sich später selbständig und vervollständigen so den Auwald. Für wen? Da Auwälder viel Wasser speichern, tragen sie zur Sicherung von Grund- und Trinkwasser- vorräten bei und können ein Schutz vor Hochwasser sein. Darüber hinaus sind sie Lebensraum für selte- ne Tierarten: Die Wasserfl edermaus zum Beispiel schläft tagsüber in den Höhlen alter Bäume und jagt nachts Insekten über der Lippe. Foto: Stadt H a m m 22 / BLÄNKE Wie? Es werden fl ache Mulden ausgebaggert, die im Unterschied zu Flutmulden nicht an den Fluss oder an das Grund- wasser angebunden werden. Für wen? Hier entwickelt sich eine eigene Tier- und Pflanzenwelt, die sich auf jahreszeitlich extrem schwankende Wasserstände eingestellt hat. Diese sind günstig für viele Amphibien und Libellen wie den seltenen Kammmolch oder die Große Königslibelle. Denn Fische als Fressfeinde können sich aufgrund der zeitweiligen Austrocknung im Sommer dort nicht dau- erhaft ansiedeln.

m m a H t d a t S : o t o F So könnte es aussehen: Ein Beispiel aus Venlo (Niederlande) Schwebend über Straße, Lippe und Kanal? Wie kommt man von der Innenstadt in das Erlebensraum-Projektgebiet? Für Fußgänger und Radfahrer ist der Weg über die Adenauerallee und die Münsterstraßenbrücke wenig attraktiv, große Parkﬂ ächen widersprechen dem ökologischen Grundgedanken des Projektes. Vor dem Hintergrund dieses Problems haben die Planer eine ungewöhnliche Lösungsoption entworfen. Die Nähe zur Innenstadt ist eine große Stärke des Projekts „Erlebensraum Lip- peaue“. „Welche Stadt hat schon so nah solch eine riesige Fläche, die sie zum natur- nahen Erholungsgebiet entwickeln kann?“, betont Oberbürgermeister Th omas Hunsteger-Petermann. „Aber natürlich müssen wir die Menschen auch dorthin führen. Wir wollen ja auf keinen Fall, dass man mit dem Auto dorthin fährt. Es wäre ja völlig widersinnig, naturnahe Flächen für Parkfl ächen zu verbrauchen. Geht man davon aus, dass die vielbefahrene Auto- fahrer-Brücke Münsterstraße für Fuß- gänger und Radfahrer keine Option ist, brauchen wir eine neue Verbindung, die idealerweise jedoch nicht nur über Kanal und Lippe, sondern auch bereits über die Münsterstraße führen müsste.“ Jedoch: „Eine so lange Brückenverbindung oder eine Kombination verschiedener Brücken und Querungsmöglichkeiten ist technisch schwierig und wird sehr viel Platz ver- brauchen. Eine behindertengerechte Brücke braucht zum Beispiel Rampen, die „Welche Stadt hat schon so nah solch eine riesige Fläche, die sie zum naturnahen Erholungsgebiet entwickeln kann?“ Thomas Hunsteger-Petermann nicht mehr als sechs Prozent Steigung haben dürfen. Das ist insbesondere an der Kanalkante oder im Nordring schwie- rig“, erklärt Dr. Oliver Schmidt-Formann. Vor dem Hintergrund dieser verschie- denen Probleme entstand die ungewöhn- liche Idee einer städtischen Seilbahn- Verbindung. In den Nordringanlagen liegt der angedachte Startpunkt dieser Pendel- oder Umlaufseilbahn, die Fahrgäste in einer Höhe von 20 bis 30 Metern über die Adenauerallee, den Kanal und die Lippe und natürlich über den neu geschaff enen Auenpark mit der Strandarena bis hin zum dann etwa 130 Meter nach hinten ver- legten Deich befördert. Die Seilbahn- Fahrt würde etwa drei Minuten dauern und eine Strecke von 800 Metern über- winden. Wie viele Personen in einer Kabi- ne Platz fi nden, ist noch off en, da dies von der Bauweise abhängt. Fest steht aber, dass die Eingangstüren so breit sein werden, dass auch ein mobilitätseingeschränkter Personenkreis mitfahren kann, ob Roll- stuhlfahrer, E-Mobil-Fahrer oder Eltern mit Zwillings-Kinderwagen. Auch die Mitnahme von Fahrrädern ist selbstver- ständlich möglich. Die Endstation der Seilbahn im Auenpark in unmittelbarer Nähe zur Strandarena könnte auch einen „einfachen“ Gastronomiebetrieb beher- bergen. Von der Fußgängerzone, dem Markt- platz oder dem Allee-Center aus wäre das Projektgebiet dann in lediglich 250 Metern Fußweg zur Startstation der Seil- bahn und drei Minuten Seilbahnfahrt mit herausragendem Blick entfernt. „Mit einer Pendel- oder Umlaufseilbahn würde man einen Weg ins Projektgebiet schaff en – und dieser Weg an sich wäre schon eine Attraktion“, sagt Oberbürgermeister Th omas Hunsteger-Petermann. Je nach Ausführung würde eine Seilbahn nach Be- rechnungen der Stadt Hamm zwischen sechs und zehn Millionen Euro kosten. „Als schmale, kleine Variante ist eine Pendelbahn mit sechs bis acht Millionen Euro sogar günstiger als eine Brücke“, be- tont Schmidt-Formann. Selbstverständlich habe man dabei aber auch die Betriebs- kosten im Blick. „Ob wir die Seilbahn realisieren können und in welcher Varian- te, wird ohnehin entscheidend davon ab- hängen, welche Fördersumme hierfür zur Verfügung steht“, unterstreicht Th omas Hunsteger-Petermann. ■ / 23

m o c . a i l o t o F , l k a w a P w a Sozial und ökologisch wertvoll l s o r a J : o t o F In dem Förderkonzept für den „Erlebensraum Lippeaue“ ist auch ein Erlebnis- und Integrationsbauernhof vorgesehen. Dabei geht es nicht nur um eine naturverträgliche Landwirtschaft, sondern auch um pädagogische Inhalte. Für Kinder gilt das Motto: „Sehen, hören, anfassen“. „Wir möchten in der Lippeaue einen Erlebnisbauernhof etablieren“, be- tont Oberbürgermeister Th omas Hunste- ger-Petermann. Dort sollen Kinder haut- nah erfahren können, wo zum Beispiel die Milch eigentlich herkommt. Der geplante Betrieb soll Familien, Kitas oder Schulklas- sen für Ausfl üge und Besichtigungen off en stehen. Das ist aber nicht das einzige au- ßergewöhnliche Merkmal, das den Hof auszeichnen soll: Angestrebt wird eine so- ziale Landwirtschaft . Soziale Landwirt- schaft beschränkt sich nicht auf die Erzeu- gung von Lebensmitteln. Hier liegt der Fokus darauf, zum Beispiel Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderun- gen in die Arbeit auf dem Bauernhof ein- zubeziehen. Die beteiligten Menschen kön- nen auf dem Hof in einem strukturierten Tagesablauf sinnstift ende und produktive 26 / Arbeiten ausüben. „Ein ökologisch wirt- schaft ender Betrieb, wie es in der Lippeaue zwingend vorgegeben ist, ist besonders ge- eignet für die soziale Landwirtschaft. Hier fallen vergleichsweise viele manuelle Arbeiten an und es gibt kaum Gefahren- quellen, weil zum Beispiel auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet wird“, erklärt Dr. Oliver Schmidt-Formann, Projektleiter im Umweltamt der Stadt Hamm. Auf ei- nem Erlebnis- und Integrationsbauernhof mitten in den Lippeauen können die Be- sucher die Th emen Inklusion, ökologisch sinnvolles Wirtschaften und die Natur hautnah erleben. Und gleichzeitig hoch- wertige Bio-Lebensmittel aus hofeigener Erzeugung kaufen. Das Projekt Erlebensraum soll in weiten Teilen aus Fördermitteln des EU-Pro- gramms EFRE und verschiedenen Landes- fördermitteln fi nanziert werden. „Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den beiden LIFE-Projekten“, erläutert Th omas Hunsteger-Petermann. „Das EFRE-Pro- gramm nennt unter anderem soziale Maß- nahmen als zwingende Voraussetzung ei- ner Projektförderung. Diese wollen wir unter anderem mit dem Bauernhof erfül- len. Dort wird naturschonende Landwirt- schaft mit einem Erlebniswert und einer sozialen Komponente vereint.“ Standort und Pläne zur Bewirtschaft ung seien im Moment noch off en, aktuell liefen Sondie- rungsgespräche mit möglichen Betreibern des außergewöhnlichen Hofes. „Wir haben bereits vielversprechende Signale in unse- ren Gesprächen erhalten“, ist der Oberbür- germeister optimistisch, dass sich ein ge- eigneter Träger fi nden wird. ■

Die Lippe zieht um Geradlinigkeit ist eigentlich keine Eigenschaft von Flüssen: Im natürlichen Bett schlängeln sie in ständigen Kurven und Schlingen durch die Landschaft. Der Verlauf der Lippe aber war in Hamm lange Zeit fast wie am Lineal gezogen. Die beiden LIFE-Projekte gemeinsam mit dem Lippeverband haben dem Fluss einiges seiner Natürlichkeit wiedergegeben. Im „Erlebensraum Lippeaue“ wird diese Arbeit fortgeführt. Eine neue Schlinge sehen die Planungen zum „Erlebensraum Lippeaue“ für den größten Fluss in Hamm vor. Sie soll den Lauf des Flusses um rund 800 Meter ver- längern. „Wobei ‚neu‘ eigentlich nicht der korrekte Begriff ist: Schließlich möchten wir einen Zustand wiederherstellen, den es schon einmal gab“, betont Jessica Dieck- mann vom Umweltamt der Stadt Hamm. Durch Begradigungen und Befestigungen hat die Lippe im Hammer Stadtgebiet im Laufe der Jahre mehr als 20 Prozent ihrer ursprünglichen Länge verloren. Bereits im LIFE-Projekt wurde der Lippe südlich von Ahlen-Dolberg mit einer Schlinge rund 400 Meter Flusslauf zurück- gegeben. Anhand historischer Karten wur- de für den „Erlebensraum“ erneut der ur- sprüngliche, natürliche Verlauf der Lippe rekonstruiert und ein sinnvoller Ort für die geplante Verlängerung ausgemacht. Die Schlinge soll im westlichen Projektgebiet des „Erlebensraums“, am nördlichen Lip- peufer zwischen Radbodstraße und Eisen- bahnbrücke, angelegt werden. „Außerdem wollen wir eine Vernetzung von Fluss und Umgebung erreichen. Die Aue soll auch mal gefl utet werden. Das wäre bei bebauten Flächen natürlich nicht möglich. Auf den geplanten Flächen befi nden sich aber be- reits Felder und Wiesen, deshalb ist die Lage gut gewählt“, erklärt Jessica Dieck- mann. Dirk Klingenberg, zuständiger Projekt- leiter beim Lippeverband, ergänzt: „Auf dem Gelände soll Oberboden abgetragen und so der Höhenunterschied zwischen Fluss und Gelände verkleinert werden. Da- neben soll die Lippe in ihrem neuen Bett unbefestigte Ufer erhalten.“ Im Unter- schied zu befestigten Ufern entsteht bei diesen eine ganz eigene Strömungs- dynamik: In den Außenkurven ist die Strömung stärker. Hier bricht der Fluss immer wieder Ufermaterial ab. „Durch die Abtragung von Boden können zum Beispiel Steilwände entstehen – optimale Brutplätze etwa für die Uferschwalbe oder den Eisvogel“, erklärt Klingenberg. An den inneren Ufern ist die Strömung weniger stark. Hier lagert sich Sand ab und es ent- stehen Sandbänke und Flachwasserberei- che – und damit wertvoller Lebensraum für viele Fisch- und Pfl anzenarten. Um die Flussschlinge anzulegen, braucht es vor allen Dingen gutes Wetter und einen großen Bagger: Zuerst wird das neue Flussbett ausgehoben. Wie viel Erde tatsächlich bewegt werden muss, ermit- teln Experten anhand von Berechnungen: „Möglicherweise reicht eine Initialrinne, die zum Beispiel halb so breit und tief ist wie der Fluss. Dann kann die Lippe durch die Strömung selbst die meiste Arbeit er- ledigen und ihr Bett verbreitern. Je nach Lage kann es aber auch sein, dass das ge- samte Flussbett vorher ausgehoben wer- den muss“, erläutert Jessica Dieckmann das Vorgehen. Gebaggert werden kann bei Trockenheit in Herbst- und Wintermona- ten: Im Frühjahr und Sommer dürfen die Maschinen die Wildtiere nicht in ihrer Brutzeit stören. Nach der Umleitung des Flusses in seinen neuen Verlauf soll das alte Bett an einer Seite mit Erde verschlos- sen werden und dem Fluss als „Rücklauf- becken“ zum Beispiel in Hochwassersitua- tionen dienen. ■ m m a H t d a t S : o t o F / 27