1011111104M Das Lebenswerk von Wilhelm Nelle Ein neu sich belebendes In- teresse am Chorgesang läßt hoffen, daß auch in den Fami- lien künftig wieder mehr ge- sungen wird. In der Advents- und Vorweihnachtszeit be- steht dazu sicherlich verstärk- te Neigung. Singgemeinschaf- ten bringen altvertraute Melo- dien und neugesetzte Weisen zum Erklingen, sie verschönen Vereins-und Seniorentreffen durch ihre Darbietungen oder finden sich in Krankenhäusern ein, um denen Freude zu ver- mitteln, die davon ausge- schlossen zu sein scheinen. Es gab eine Zeit, da ge- lockertes, beschwingtes Musi- zieren und Singen erst wieder geübt werden mußte. der tradi- tionelle Gemeindegesang zur Orgel, in schleppendem Tem- po ohne rhythmische Prä- gnanz, hatte den Choralge- sang nach und nach fast in Verruf gebracht. Ältere Ge- sangbücher kennen strecken- weise nur halbe Notenwerte. Die mit dieser Notierung beab- sichtigte Feierlichkeit schlug, das konnten musikalische Sänger und Hörer sich nicht verhehlen, in tödliche Lange- weile um. Im Jahre 1883, als der evan- gelische Kirchengesangverein für Deutschland gegründet wurde, erschien das erste hymnologische Büchlein ei- nes Theologen, der von 1886 bis 1916 als Pfarrer und Super- intendent in Hamm tätig sein sollte: Wilhelm Nelle. Er wohn- te am heutigen Theodor- Heuss-Platz im Vorgängerbau des soeben vollendeten Neu- baus an der Nordseite. Alle sei- ne nach 1890 erschienenen Veröffentlichungen, in kargen Freistunden erarbeitet, sind in jenem Hause entstanden. Nelle kommentierte das neue evan- gelische Gesangbuch für Rheinland und Westfalen (1890), gab ein Liederbüchlein mit 25 geistlichen und weltli- chen Liedern in vierstimmigen Sätzen heraus (1892), schuf ein Choralbuch zum Ev. Kirchen- und gesangbuch schrieb eine Geschichte des deutschen ev. Kirchenliedes (1893) (1904). Einige dieser Titel er- reichten mehrere Auflagen. Gegen Ende seines Lebens — der 1849 in Schwöbber bei Ha- meln Geborene starb 1918 in Münster, wo er als Emeritus noch zwei jahre eine Professur für Hymnologie innehatte — folgten weitere Veröffentlich- ungen zur Choral- und Kirchenliedgeschichte. Wie es sein Beruf mit sich brachte, erschöpfte sich Nelles Beschäftigung mit dem Thema Kirchenlied nicht in lebensab- Gelehrsamkeit. gewandter 1895 begründete er in Hamm den Ev. Kirchengesangverein für Westfalen. Intensiv widme- te er sich der Arbeit im Kinder- gottesdienst. 1899 übte er in der Adventszeit Weihnachts- lieder von Paul Gerhardt ein und wiederholte dies im Paul- Gerhardt-Jahr 1907. Zwei Neuvertonungen, die Anklang gefunden hatten, gab er im Druck heraus und widmete sie „vor allem dem mir überaus teuren Kreise, in dem sie zuerst erklungen sind". Er konnte nachweisen, daß das Ger- hardt'sche Christwiegenlied- lein von 1667 auf eine lateini- sche Vorlage von 1638 zurück- gehe. Die Hammer Kinder- schar ließ er nicht nur zur Orgel, sondern auch dreistim- mig a capella singen. Ein Falt- blatt mit Liedtexten zum Kin- dergottesdienst am dritten Ad- vent 1904 ist im Stadtarchiv zu finden. Die hohe Achtung, die Nelle in Expertenkreisen genoß, dokumentiert sich in einem Besuch des 1. Vorsitzenden des deutschen evangelischen Kirchengesangvereins, Staats- rat D. Ludwig Hallwachs 1899 in Hamm. Persönlich suchte der betagte Herr den hiesigen Hymnologen zu einem Fach- gespräch auf. Für das sein eh und je rege musikalische Geschehen ist die intensive Erziehungsarbeit, die Nelle im Verein mit enga- gierten Kantoren und Kirchen- musikern entfaltete, ein dauer- hafter Gewinn gewesen. v.Sch. ..._ :,,...„.. ,,, # zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA 4 zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA 1 I 1 Mligli'ioikk ,:,.... . . _ ,..,,,...„1,....„....„..,. .,. ..,...„....._ .,.....,,,,,, . , ...„...... ,,,,,,:e. ...._. , ............... I_ ,, . 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Bereits im Vorjahr erfuhr die Öffentlichkeit von Hobby-Künstlern, die nach längerem Vor-Sich- Hinwerkeln etwas vorzuwei- sen hatten. Ganz zwanglos und „juryfrei" bot sich ihnen Gelegenheit, im Brokhof ihre Arbeiten auszustellen. Bedin- gungen gab es keine außer der selbstverständlichen, daß we- der NS-Verherrlichung noch Pornographisches zugelassen werde. Jeder durfte mit seinen Leinwänden, Zeichenblättern und Werkarbeiten anrücken. Auf dem ihm zugewiesenen Platz stellte er sich der Öffent- lichkeit. Ein Stadtbezirk, behördli- cherseits gern miteinerstatisti- schen Elle gemessen, gewinnt unversehens ein neues Ge- sicht, wenn eine Gruppe Ein- zelner sich vorstellt. Daß es in- zwischen eine „Interessenge- meinschaft Heessener Frei- zeitkünstler" gibt, ist dem Ruheständler Herbert Fuchs zu danken, der mit Augenmaß und Ausdauer die Gruppe ver- tritt. Er knüpfte nicht nur Kon- takte zum Bezirksvorsteher und zum Kulturdezernenten, er kümmert sich gleicherma- ßen um die Ausstellungsvor- bereitungen, die stets in Arbeit auszuarten pflegen. Für die Dezember-Schau legt er einen entsprechenden Katalog vor. Wer ihn erwirbt, nimmt an ei- ner Verlosung teil, zu der Gruppenmitglieder eine An- zahl von Arbeiten gestiftet haben. Zum Brokhof werden gewiß nicht nur Heessener Mitbürger pilgern. Manchen entfernter Großstädter wohnenden könnte die Ausstellung veran- lassen, das oftgenannte Bau- denkmal in Augenschein zu nehmen und zu prüfen, wel- chen, Stellenwert „Kunst um die Ecke" bei uns in Hamm hat. Denkbar wäre sogar, daß auch andere Stadtbezirke sich auf vergleichbare Vorhaben ein- ließen. v.Sch. 17