Werbefreudige Kaufmannschaft Wie Hamm sich zur Einkaufsstadt entwickelte eine Gefahr. Dies hatte, wegen der Verbindung von Thron und Altar, sehr praktische Auswir- kungen. Bis 1899 existierte in Hamm eine Polizeivorschrift „zum Verhangen der Schaufen- sterwährend des Gottesdienstes" — immerhin ist das erst achtzig Jahre her. Aufschlußreich ist die Zu- nahme von Werbeanzeigen in auswärtigen Zeitungen, die auf Hammer Geschäfte aufmerksam machten. Schon 1880 ließ sich der Friseur Schipkowsky,wohn- haft in Hamm, „ Coiner Dom", in der Beckumer Zeitung ver- nehmen, er empfehle sich zum Anfertigen aller Haararbeiten. Diese bestünden in: Flechten, Locken, Puffen, Scheitel, Chig- nons, Bandos, Armbänder, Uhr- ketten, Ringe, Blumen, Per- rücken und Toupets, — ein Einzelhandelswerbung — in der Vorweihnachtszeit wird sie groß- geschrieben. Dabei blickt eines der augenfälligen Werbemittel, das Schaufenster, erst auf eine bestenfalls hundertjährige Ge- schichte zurück. Nur zögernd entschlossen sich Hammer Kauf- leut e, in die Front en ihrer Geschäftshäuser größere Off- nungen zu brechen. Bis zur Jahrhundertwende sah man ne- ben großflächigen Scheiben in Neubauten auch immer wieder noch Stubenfenster, in denen kunstlos genug Kleiderstoffe und Schürzen, Bürsten und Schreibhefte baumelten. Handel mit Noten war schon 1823 lukrativ ganzer Katalog kulturgeschicht- licher Merkwürdigkeiten! I m Oktober 1906 überrascht die Ahlener Volkszeitung ihre Leser mit einer Riesenanzeige der Firma Julius Engel in Hamm. Als Blickfang dient ein engelgleiches Dämchen mit Wa- genradhut und Straußfeder. Es geht um das Spezialangebot einer Putzabteilung: Ein Da m en - Bolero-Hut mit Samt und Pon- pons garniert kostet 1 Mark 75, garnierte Samt-Kapotten gibt es von 2 Mark an, Matrosenhüte für Knaben und Mädchen ab 1 Mark 50, Tellermützen und Jockeykappen bereits ab 28 Pfennig. Größte Auswahl in Brautschleiern und Kränzen wie auch in Kinderhauben (Wolle oder Seide) erfassen den Bedarf an familiären Kopfbedeckungen in seiner ganzen Bandbreite. Gleichfalls in der Ahlener Volkszeitung inserieren 1910 die Gebr. Kaufmann-Hamm. Sie widmen sich den Aussteuer- Artikeln und verheißen von Eisen- über Holzbettstellen bis zu hocheleganten Metall- und Passendes Messingbettstellen für jedes Portemonnaie. Man ruhte damals aus auf See- gras oder Sprungfedern, pries holländische Kapokmatratzen als besten Ersatz für Roßhaar und fragt e sich, was wohl patentierte Zugfedermatratzen für Vorzüge böten. Von körper- gerecht abgestützten Bandschei. ben ist noch nicht die Rede, dafür aber von Reform-Betten und Reform-Kissen. Wer wollte, konnt e bei Kaufmanns in Hamm das Füllen seiner Betten in einem gesonderten Federraum selbst verfolgen. So erzählen uns Zeitungsinse rate manches Amüsante aus dem Alltag unserer Groß- und Urgroßväter. v.Sch. Selt en m acht m an sich klar, welchen wirt schaft lichen Fak- t or die Spart en I nst rum ent en- bau und Not enhandel im 19. Jahrhundert darst ellt en. Dazu fand sich unlängst eine An- zeige im Rheinisch- West fäli- schen Anzeiger aus dem Jahre 1823: „ Bücher- und Musikallen- Anzeigen. Musikfreunden be- ehren wir anzuzeigen, daß wir im Laufe des verflossenen Jahrs unsere beiden Musik- Läger in Ham m und Münst er dergest alt erweit ert en, daß der gegen- wärt ige Vorrat h, welcher aus den vorzüglichst en ält ern und den m eist en neuem n Musik- werken für I nst rum ent e j eder Ar t best eht , in Wert h die Sum m e von 8 bis 9 Tausend Thalern erreicht . Vollst ändige Cat aloge können indefl, da das Lager Tagt äglich sich verän- dert , über die Musikalien nicht ausgegeben werden. Jedoch sind w ir ferner erböt ig, auf Verlangen Part ieen davon zur Auswahl zu verabreichen, wenn uns bei der Best ellung zugleich das I nst rum ent näher bezeich- net wird, wofür? Ham m ,den 21. Februar 1823. Schulz- Wanderm ann'sche Buch- und Musikhandlung." Dunkle Abende füllt e m an ehedem m it anderen Beschäft i- gungen aus als m it Fernsehen. Es gab den gem üt lichen Abend- plausch, Vorlesest unden, weib- liche Handarbeit , — gegen zehn pflegt e m an in Ham m zu sagen: Tant e Line, st rick' auf die Mit t e, — j et zt kannst e noch im Hellen nach Hause kom m en, die Lat ernen sind noch an! — und nicht zulet zt gab es die Hausm usik. Weniger fortschrittsgläubig verhielt man sich auf Seiten der Kirchen. Geistliche beider Kon- fessionen, eingedenk der ver- derblichen Begehrlichkeit der Menschennatur, erblickten viel- leicht nicht ganz zu Unrecht in den Schaufensterauslagen auch 22 Großen Effekt machte in modernen Läden die Gasbe- leuchtung. Mit ihrer feenhaften Pracht verblüffte sie die an Sparsamkeit gewöhnten Burger und lockt e zu abendlichen. Gängen in die Oststraße, wo ein gasbeleuchteter Laden Stadt- gespräch war. Mit der teuren Energie verfuhr die Ladenin- haberin sehr haushälterisch. Wiederholt konnte man sie aus dem Hintergrund ihren Mann rufen hören: „Heinrich,— stich'n Laden an! Es iss wen da!" — Dennoch: Fortschritt allerorten! 1899 hieß es: „ Elekt rische Fernzünder für das Gasglüh- licht, sicher funktionierend, für Schaufenster besonders geeig- net, empfiehlt August Höttcke". Um 1907 erließ die Behörde „Sicherheitsvorschriften zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA für Carbon -Bogenlampen zum Er- leucht en des I nnern von Schaufenstern".