Langfristig auf geringere Zuwachsraten einstellen Einer der wenigen Ausschüsse der Stadt Hamm, die wegen der Art ihrer Beratungspunkte stets nichtöffentlich tagen und in der Bevölkerung daherwenig bekannt sind, ist der Ausschuß für Finan- zen und Liegenschaften. Er berät über Stundung, Niederschlagung und Erlaß von Geldforderungen, Festsetzung von Steuern, Gebüh- ren und Beiträgen sowie über Liegenschaften der Stadt. Seine wesentl ichste Aufgabe ist die Vor- beratung des Haushaltsplanes. Hier leistet er für den Rat wert- voile Kleinarbeit. Ausschußvor- sitzender ist Ratsherr Heinz Ass- mann. Der Entwurf des Haushalts- planes, der als D iskussionsgrund- lage dient, wird vom Kämmerer aufgestellt. Für HAMMAGAZIN sprach Irene Stork mit Ratsherr Heinz Assmann und Stadtkämme- rer Dr. Walter Fiehe über die Auf- gaben des Ausschusses und die Finanzsituation der Stadt Hamm. HAMMAGAZIN: Herr Assmann, Sie sind Vorsitzender eines Aus- schusses, der stets nichtöffentlich tagt. Warum tagt der Ausschuß nicht öffentlich und worin sehen Sie die Vorteile und die Nach- teile? Ratsherr Assmann: Die Not- wendigkeit der nichtöffentlichen Beratungen von Angelegenheiten wie z. B. Grundstücksan- und ver- käufe, private Verträge, Stundung, Niederschlagung und Erlaß von Steuern und Gebühren ist unum- stritten. Die Mehrheit der Aufga- ben hat vertraulichen Charakter. Ich werde jedoch auch weiterhin dafür eintreten, daß auch dieser Ausschuß die Angelegenheiten öffentlich berät, über die in ande- ren Ausschüssen ebenfalls öffent- lich diskutiert wird. Der Vorteil der nichtöffentlichen Sitzung liegt darin, daß trotz mancher politi- scher Gegensätze, die naturgege- ben sind, die Diskussion sachli- cher geführt werden kann. Den Nachteil sehe ich in der mangel- haften Information der Bevölke- rung. HAMMAGAZIN: Herr Dr. Fiehe, Sie haben in der Ratssitzung am 29. Oktober Ihren Entwurf des Haushaltsplanes für das Rech- nungsjahr 1976 dem Rat und der Öffentlichkeit vorgestellt. Wie be- urteilen Sie die Finanzsituation der Großstadt Hamm für das Jahr 1976? Dr. Fiehe: Ausgesprochen schlecht, bedingt durch die au- genblickliche allgemeine Wirt- schaftssituation. Ich befürchte, daß die chronische Finanzmisere der Städte und Gemeinden, so auch der Stadt Hamm, weiter be- stehenbleiben wird, auch wenn sich im Laufe des Jahres 1976 ein konjunktureller Aufschwung einstellen sollte. Ich warne des- halb davor, die Problematik aus- schließlich der Konjunktur anzu- lasten und etwa zu glauben, daß wir wie in der Vergangenheit nach dem konjunkturellen Auf- stieg wieder aus dem vollen schöpfen könnten. Ich bin der Meinung, daß wir uns langfristig auf wesentlich geringere Zu- wachsraten einstellen müssen, als wir sie in den letzten Jahren gewohnt waren. HAMMAGAZIN: Herr Assmann, es darf nur ein Haushaltsplan für die gesamte Großstadt Hamm auf- gestellt werden; die Erstellung von Haushaltsplänen für die ein- zelnen Stadtbezirke ist unzuläs- sig. Ist der Ausschuß für Finanzen und Liegenschaften in der Lage, die zur Verfügung stehenden Mit- tel so aufzuteilen, daß alle Stadt- bezirke gleichmäßig behandelt werden? RatsherrAssmann:Einegleich- mäßige finanzielle Behandlung nach dem „Gießkannenprinzip" halte ichfürausgeschlossen. Den- Ausschuß far Finanzen und Liegenschaften (von links nach rechts, sitzend): Sty. Ausschußvorsitzender Dierkes, Oberverwaltungsrat Niemann, Ausschußvorsitzender Assmann, Stadtkämmerer Dr. Fiehe, Ratsherrin Zech: (stehend): Ratsherren Sandhoff, Empting, Romberg, Walther, Bergmann, Willemsen, Simshäuser. Es fehlen die Ratsherren Otto, Wiese, Meyer, Luhofer, Opitz und Pirug. noch muß darauf geachtet wer- den, daß gerade in der ersten Phase der Großstadt Hamm sich nicht einige Stadtteile besonders benachteiligt fühlen. Wirtschaft- lich sinnvolle Lösungen sind nur möglich, wenn die Finanzmittel schwerpunktmäßig eingesetzt werden, was langfristig jedoch nicht zu einer Diskriminierung einzelner Stadtteile führen darf. Die knappen Finanzmittel sind so zu verplanen, daß die vorrangi- gen Aufgaben und Maßnahmen zuerst berücksichtigt werden. HAMMAGAZIN: Herr Dr. Fiehe, die Stadt Hamm hatte 1975 einen Haushaltsplan aufgestellt, der sich aus den Haushaltsplänen 1974 der zusammengeschlosSe- nen Städte und Gemeinden zu- sammensetzte. Für das kommen- de Jahr müssen Ansätze gekürzt oder sogar gestrichen werden. Istdiese Verminderung eine Folge der kommunalen Neuordnung und des erhöhten Finanzbedarfs der Innenstadt, der nun von den Außenbezirken mitgetragen wer- den muß? Dr. Fiehe: Keinesfalls. Im Ge- genteil. Die neue Stadt Hamm ist besser in der Lage, die Probleme der augenblicklichen Haushalts- lage zu durchstehen als die mei- sten der zusammengeschlosse- nen Städte und Gemeinden allein. Die Behauptung, die schlechte Finanzlage sei eine Folge der Neuordnung, stimmt ebensowe- nig wie die in der heißen Phase vor der Neuordnung ausgegebe- ne Parole, die Stadt Hamm wolle sich an den umliegenden Städten und Gemeinden bereichern. HAMMAGAZIN: Oberstadtdi- rektor Dr. Tigges hat in seiner Haushaltsrede vor dem Rat der Stadt Hamm das Bibelzitat von den sieben fetten und den sieben mageren Jahren angeführt. Se- hen Sie auch sieben magere Jah- re vor sich und sind Sie der Mei- nung, daß Sie, Herr Assmann. ge- meinsam mit den übrigen Aus- schußmitgliedern und Sie, Herr Dr. Fiehe, mit Ihren Mitarbeitern die kommenden Jahre ohne Schwierigkeiten meistern wer- den Ratsherr Assmann, Dr. Fiehe: Wir sind durchaus der Melnung, daß uns sieben magere Jahre bevorstehen. Das Hauptproblem sehen wir darin, daß die Ausga- ben weiterhin schneller wachsen könnten, als die Einnahmen stei- gen werden. Diese Problematik ist nur Zu bewältigen, wenn entwe- der den Gemeinden hinsichtlich der strukturellen Verbesserung ihrer Haushaltssituation von hö- herer Ebene grundlegend gehol- fen werden kann — etwa durch eine bessere Beteiligung an der Einkommen- und Lohnsteuer — oder wir ein außergewöhnlich sparsames Verhalten an den Tag legen. Wir werden alles tun, um im Interesse der Burger die fi- nanzpolitische Situation unserer Stadt in den kommenden Jahren optimal zu gestalten. Es wird be- sonders darauf zu achten sein, den berechtigten Ansprüchen der sozial Schwachen auch langfristig Rechnung tragen zu können. 17