Ein Gedicht für dich und die Stadt Von Katharina Bellgardt >> Ich liege dort Auf einer Wiese / an einem Strand In einer Zuflucht in dieser Stadt Ich liege neben dir. Das ist das Wichtigste. In dieser Welt Da haben wir uns kennen gelernt In dieser Stadt Tagelang drang Britney Spears Aus den Autoradios Brummend auf dem Asphalt Wir beide sangen „Hey Jude“ auf den Straßen Und der Asphalt schmilzt unter unsren Füßen Noch immer wenn ich daran denke Noch heute - hörst du Heute noch Die Straßen dieser Stadt Benetzt mit deiner Liebe Wie wir saßen und Eistee tranken, Weil wir es waren. Kinder kreischen Vor Freude Und noch heute schallen ihre Stimmen Sie rufen und ich höre Mal ist es Freude, mal ist es meine Trauer Aber immer Auch noch heute – horch! Klingt es, als riefen sie deinen Namen. Weißt du, woran ich denke, wenn ich hier in der Sonne sitze, mein Laptop auf dem Schoß, um dir diese Zeilen zu senden? Natürlich an dich - an wen sonst, immer an dich, das weißt du -, aber vor allem an diesen Platz in der Stadt, an unsere Zu- flucht. Ein Stück Gras zwischen den Häu- serwelten, unsere Zuflucht, unser Strand, unsere Verbindung zum Meer, aber auch einfach unsere Wiese genannt, unsere Verbindung zur Realität. Als wir beide dort lagen und redeten, wa- ren wir noch voll der Träume und unge- brochen durch die Wahrheiten des Lebens. Ich hatte große Ziele, Modedesignerin, Schriftstellerin, die neue bessere Versi- Die Autorin: Katharina Bellgardt on von Banana Yoshimoto, die nebenbei schneidert und Hippiekleider trägt, im- mer in New York, Tokio, Barcelona oder London. Du dachtest kleiner, kleinbür- gerlich fast, an eine Familie, an ein Haus, nah deiner Eltern und in den Straßen, in denen du Rollschuh fahren und küssen gelernt hast. Aber egal, zu welch verschiedenen Men- schen wir wurden, wie unsere Ansichten sich trennten, wir lagen immer nebenein- ander dort, in unserer Welt, ich neben dir, das war das Wichtigste. Es war heiß in der Stadt. Erinnerst du dich? Wir liefen durch die Straßen, Häuser vor uns, Häuser neben uns, Häuser hinter uns, Häuser umschlossen uns. Ich war wild entschlossen diese Situation zu beherrschen, Teil einer Stadt zu wer- den, wenn auch nicht in meinem Heimat- ort. Du warst eingeschränkt jetzt schon, ein Vorortskind und sehntest dich nach weniger Häusern, Menschen, die dir die Sicht versperrten. Du wolltest Natur, ich fand meine in der Stadt, in der Betonwüste, dem Meer aus Häusern, mit ameisenhaften Menschen, irren falkenhaften Blicken, immer auf der Jagd. Ich kann nicht vergessen. Noch heute hör ich Britney Spears auf den Straßen und meist sind es Kinder, die sie singen lassen, doch ihre Melodien, dieser wüste, stumpfe Plastikpop, sie erinnern an die Abende, als wir durch die Straßen gingen. Damals war sie überall, in den Autoradios und die Motoren brummten, während die Fahrer vor den Ampeln warteten. Und die Melodien, schon damals wüst und stumpf, betonte all das, was sie waren, die Warten- den, was wir niemals sein wollten. Wir liefen, sangen “Hey Jude”, auf den Straßen. Und wir liefen davon, vor alle dem Warten, Regeln, Stillstand, Tod. Und der Asphalt schmolz unter unseren Füßen - spürst du es auch? Selbst hier, auf der Wiese liegend, schreibend, kann ich es noch fühlen. Schmeckst du die sirren- de Luft? Den Geruch des Teers, unter uns bebend, atmend, als wäre er, nicht wir, lebendig? Meine schweißnasse Hand in der deinen, kannst du es ertasten? Mein glühender Puls, sausend durch die Adern, hörst du das? Hast du das Bild vor Augen? Du, gestutztes Haar, T-Shirt, Jeans, braun, blau, blau, Ich, wirres Haar, gekringelt vor Hitze, Kleid, braun, schwarz-weiß. Ein Bild - vor Augen. Der Asphalt schmilzt unter unseren Fü- ßen, immer wieder. Wenn wir stehen blei- ben, saugt er uns auf, teert uns ein und wir werden immer verharren, zusammen. Manchmal, es ist mir selbst peinlich, glau- be ich, dass der Asphalt nicht uns festge- halten hat, nicht uns, sondern dich. Die Straßen sind benetzt von deiner Liebe. Sie sind benetzt von dir. Eine letzte Erinnerung, an einen Festtag im Sommer. Wie die Stadt sich schmück- te, mit all ihren Farben. Und wir saßen da, tranken Eistee und die Kinder kreischten vor Freude über die Hitze und viele bunte Lichter. Und über Zuckerwatte. Ich sah dich an, du blicktest fort. Weit zum Horizont, wo das Blau dich erwartete, während die Stadt dich noch festhielt für wenige Augenblicke. Im Leben, geteilt. << Hamminformation / 21