Stadtgeschichte November 02 20 Bildband Hamm in alten Ansichten erschienen I m Gustav-LUbcke-Museum sowie in den Hammer Buchläden erhältlich. Das Gesicht der Stadt Hamm hat sich zweifellos im 19. Jh. und im 20. Jahrhundert gravierend verändert. Die Eisenbahn und mit ihr die Ansiedlung der Draht- und Metallindustrie, der Bergbau und die Anlegung des Kanals haben das kleine über- schaubare Landstädtchen aus dem Schlaf geweckt und mit der I ndustrialisierung Urbanisierungsprozesse eingeleitet, die z.B. an der Ausdehnung der Wohnbebauung deutlich werden. Das zeigt ein Vergleich der Pläne von 1886 und 1949. An eine Bauperiode mit zahlreichen beeindruckenden Gebäuden im historisierenden Stil der Kaiserzeit (altes OLG, Landratsamt, Lutherhaus, Bad Hamm) knüpfte zu Beginn des 20. Jahrhunderts Stadtbaurat Otto Krafft (1906-1916) an, unter dessen Ägide allerdings auch neue architektonische Konzeptionen erstellt und realisiert wur- den. So war er z.B. maßgeblich an der Gestaltung der dekorati- ven Ringanlagen beteiligt, sorgte für die Verlegung der Ahse, baute aber auch das Stadtbad und nahm Einfluss auf die Planung des neuen Bahnhofs. I n den 20er und zu Beginn der 30er Jahre entstanden in der Stadt zahlreiche Bauten, die sich eher funktional präsentieren und von einer sachlichen Strenge geprägt sind. Dieser neue, der damaligen Zeit entsprechende "moderne" Stil wird an der Errichtung von Stadthaus, Krankenhaus, Bahnhof, Rangiersystem, Post, Bahnhofsvorplatz, am Geschäft Viehoff und schließlich auch an der Kaufhalle, dem Marienhospital und dem Gefängnis deutlich. Die nationalsozialistische Baupolitik und Städteplanung zwi- schen 1933 und 1945 ordnete ihre Projekte dem politischen Kriegszweck unter, sei es durch die Errichtung von Kriegerehrenmälern oder Autobahnen, sei es durch den Bau von Bunkern und Baracken. Die Folgen der Kriegspolitik waren auch in Hamm nicht zu übersehen - nicht nur der Tod zahlreicher Menschen, sondern auch die Zerstörung eines Großteils der Stadt Hamm und der umliegenden Gemeinden. So stellte der Zweite Weltkrieg mit seiner "Ruinenlandschaft" eine entschei- dende Zäsur in der städtebaulichen Entwicklung dar. Die unü- bersehbaren Zerstörungen stellten die Verantwortlichen 1945 vor die Alternative: Wiederaufbau oder Neuanfang. Sobald die Mittel vorhanden waren, machten sich viele Bürgerinnen und Burger wieder an den Aufbau ihrer Häuser, verbesserten, erwei- terten. Allein in dem Zeitraum vom 1.1.1956 bis zum 31.12.1957 entstanden durch Neubauten und Wiederaufbauten im Stadtkreis Hamm 1361 neue Wohnungen. Die rege Bautätigkeit, die sich allenthalben in Hamm zeigte, bezeichnete der WAK am 10.1.1953 als "Wunder von Flame Auch die Errichtung des Handelshauses Rosenberger und zahl- reicher anderer Geschäfte der I nnenstadt fiel in diese Zeit; allerdings konnten sich die damals diskutierten, modernen I deen von Flachdachhochhäusern in dieser zentralen Lage nicht durchsetzen. Das achtgeschossige Wohnhaus, das die Neue Heimat am Ostentor 1958 hochzog, blieb somit eher eine Ausnahme. I m engen Zentrum baute man in der Regel nach altem Muster wieder auf, wie etwa das Stadthaus, in dem das Gustav-Libcke-Museum 1957 seine Neueröffnung begehen konnte. Auch die Architektur der Sparkasse orientierte sich am historischen Vorbild des alten Rathauses. Den typischen 50er- Jahre-Charakter wies dagegen das dreigeschossige konkave Kaufhaus Müller-Hamm gegenüber vom Westentorhaus auf: "Hier wirkt Hamms Straßenbild am meisten großstädtisch", erklärte 1956 Stadtbaurat Gerhard Plagens. 11. Bahnhofstra Be, 1963: Im Jahre 1933 gründete Hermann Glunz das Einrichtungsunternehmen, das seit 1938 seinen Sitz an der BahnhofstraBe hatte. Es lag gegenüber von Brenninkmeyer (CEtA) an der Ecke zur FriedrichstraBe. Am Rande der I nnenstadt war man für Experimente offener, so z.B. bei dem Neubau der Musikschule und der Stadtbücherei. 1959 etwa entstand inmitten von Grünanlagen das Oberlandesgericht, ein 13-geschossiges Hochhaus, das Gerhard Plagens, der sich stark für ein "anderes, neues Hamm" einsetzte. Nach der "Enttrümmerung", nach dem Wohnungsbau und einem umfangreichen Schulbauprogramm erforderte die zuneh- mende Mobilität eine neue Verkehrsplanung. Straßen sollten verbreitert werden, neue Fluchtlinienpläne wurden aufgestellt; Stadtplanung war identisch mit Verkehrsplanung, und die rasche Abwicklung des motorisierten Verkehrs in der Stadt bekam Priorität. Einen wesentlichen Meilenstein bedeutete dabei der Bau der Lippebrücke 1951, womit eine wichtige Verbindung zu den nördlichen Stadtteilen hergestellt war. An der Kreuzung Bahnhofstraße/ Westring wurde die erste automa- tische Verkehrssignalanlage eingebaut und am 31.10.1957 in Betrieb genommen (Verwaltungsbericht 1957/ 58, S. 113). Bereits 1958/ 59 legte man Pläne für den Durchbruch der Widumstraße zum Ostentor vor, man verlängerte den Westring durch den Richard-Matthaei-Platz, veränderte aufs Neue den Bahnhofsvorplatz. I deen für geänderte Straßenverläufe gehen bis in diese Zeit zurück, auch wenn etwa der Bau der Neue Bahnhofstraße erst in den 80er Jahren realisiert wurde. Bisweilen mehr als die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs haben diese Stadtplanungen das Gesicht Hamms geprägt. Nichts weist heute noch auf die ursprünglichen Straßenführungen hin, mit deren Tilgung auch zahlreiche histo- rische Bauten aus dem Weichbild der Stadt verschwanden. Der Streifzug durch die Stadt, zu dem dieses Bildbändchen einlädt, erinnert an zahlreiche Häuser, Straßen, Anlagen, die heute nicht mehr existieren, oder erläutert die Entstehung einzelner Gebäude, die gegenwärtig noch als Zeugnisse vergangener Epochen einen anschaulichen Eindruck geben. Er beginnt dort, wo vielleicht die Keimzelle für die I ndustriestadt Hamm zu suchen ist, beim Bahnhof und beim Bahnhofsviertel, das, mehr noch als andere Bezirke, immer wieder einschneidenden Veränderungen unterlag. Dr. M. Perrefort;, Gustav-Liibcke-Museum