• Der treue Bote von Oftwennemar. eine erzahlung aus alten Tagen bar Burg Mark ern 6 eor g lPiit j qim Vogel. nicht, deine Leiden und Freu- den der Liebe dem Herrn im Himmel ernstlich ans Herz zu legen. Er wird dir schon den richtigen Weg zeigen und dich so leiten, daß du noch dankbar dafür sein wirst. Der Herr for- dert aber eine bedingungslose bergabe unseres ganzen Wesens. Erst dann kann er mit Erfolg in unsere Verhältnisse eingreifen und sie zu seiner Ehre und zu unserm Besten erobern." 1 0 0 0 IV. Fortsetzung Der Gedanke eröffnete ihm so lichte, herrliche Aussichten, daß er, von diesen berauscht und geblendet, noch einige Zeit in der Laube verharrte, bis er sich ein wenig gesammelt hatte. Als er seinen Platz verließ, sah er, wie der Kaplan den Weg nach der Burg einschlug. Da trieb's ihn, dem Kaplan nachzu- eilen und ihn zum Vertrauten seines Glückes zu machen. Gab es doch auf der Welt kei- nen Menschen, der so innigen Anteil an seinem Wohlergehen genommen hatte, wie der liebe Kaplan Paulus. Er war sich zwar noch nicht klar darüber, was er ihm sagen wollte, aber wissen sollte er, daß er Zeuge der Unterredung gewesen wäre und er mit eigenen Ohren gehört habe, wie sein Herr über ihn denke. Und als erst der Ring gebrochen war, welcher sein Herz einschnürte, sprudelte es aus der Tiefe hervor, daß er Anna liebe. „Ich liebe sie nicht," sagte er, „mit irdischer Liebe, ich verehre sie, wie ein Gebilde aus himmlischen Höhen, und ich bin bereit, mein Leben für sie zu lassen!" Paulus wollte das Feuer sei- ner Begeisterung nicht durch einen kalten Wasserstrahl ertö- ten. Hatte ihm doch auch Anna ihres Herzens Sehnen offen- bart, sodaß es ihm nicht mög- lich gewesen wäre, die Hoffnungen Gottjohanns mit einem Schlage zu vernichten. „Komme morgen zu mir, lieber Gottjohann," anwortete er, „ich werde dir alsdann meine Ansicht über deine Liebe mittei- len. Gehe jetzt heim, und vergiß Als Gottjohann sich am näch- sten Morgen beim Kaplan ein- fand, gab ihm dieser ein kleines Briefchen mit den Worten: „Lie- ber Gottjohann, wenn deine Liebe edel ist, dann vertraue sie Gott an und warte, bis er dir Gelegenheit bietet, sie zu beweisen. Deine Liebe jetzt stürmisch zu äußern, würde das Gegenteil von dem herbeifüh- ren, was du zu erreichen suchst. Und nun gehe hin und lies." Gottjohann konnte es kaum abwarten, bis er allein war. Dann öffnete er das zierliche Schriftstück und las: Die reine, wahre Liebe trägt nicht nach Besitz Verlan- gen. Sie will nicht schnell und wild erregt mit Leidenschaft umfangen. Nein, keuscher Liebe höch- ster Preis ist, wenn sie andre glücklich weiß, das ist ihr Ziel, ihr Streben. Gottjohann hatte eigentlich eine etwas andere Antwort erwartet. Ich soll also, sagte er sich, nach Besitz kein Verlan- gen tragen, ich soll nur glück- lich zu machen suchen und die Gelegenheit dazu ruhig abwar- ten, bis Gott sie mir schickt. Gewohnt, dem Rate des Kaplans zu folgen, zum minde- sten ihm nicht entgegen zu han- deln, die Entwicklung der Dinge abzu- warten, und die nächste Zukunft schon sollte ihn beleh- ren, daß er wohl daran getan. In Haus und Flur blieb er der all- zeit dienstwillige Gehülfe sei- ner Herrschaft, und wenn er der jungen Herrin einen Wunsch von den Augen ablesen konnte, so erfüllte er ihn gewiß. beschloß er, Die Feldzüge des Grafen waren in dieser Zeit von kürze- rer Dauer. Schon im Frühjahre nach seinem letzten Abmar- sche kehrte er zur Burg zurück, und auch Sigurd befand sich wieder in seiner Begleitung. Anna hatte es nicht unterlas- sen, diesen auf die Abneigung 601.rs,o) ro• zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA t r oy Mam as* ihres Vaters für das Kriegs- handwerk hinzuweisen, und sie suchte ihn für die Landwirt- schaft zu begeistern, aber Sigurd hatte schon zu tiefe Züge aus dem Becher der Frei- heit und Ungebundenheit getan, um sich ohne weiteres wieder an die Scholle zu bin- den. „Wir wollen deinem Vater mal ein Bild aus der großen Welt vor Augen führen, damit er einen Begriff davon bekommt, wie prächtig es an Fürstenhö- fen und bei den Festlichkeiten der Städte hergeht. In den Schränken der Burg hängen noch Reitkleider der alten Grä- finnen genug, darunter ein Rock aus himmelblauer Seide, ganz zu dem Mieder passend, welches du trägst. Dabei befin- det sich ein kleines, gleichfarbi- ges Barett mit wallender Feder, welches sich auf deinen langen, blonden Zöpfen prachtvoll aus- nehmen wird. Damensättel sind ebenfalls vorhanden, und da will ich unseren Herrn bitten, daß er uns die Benutzung der schönen Sachen einmal gestat- tet. Er wird es gern tun, wenn ich ihm sage, daß wir vorhätten, deinen Vater eine Überra- schung zu bereiten." So verfüh- rerisch dieser Plan für Anna war, so konnte sie sich doch nicht sofort mit ihm einverstan- den erklären. Daß ihr Vater überrascht werden würde, stand bei ihr fest, ob aber die Ueberraschung für ihn eine angenehme sein würde, war die Frage, die sie eher hätte vernei- nen, als bejahen mögen. — Aber Sigurd war schon zum Grafen hinaufgeeilt und kam bald mit leuchtenden Augen zurück. „Der Graf hat zu allem seine Einwilligung gegeben," rief er voller Freude der Harren- den zu; „er stellt uns sämtliche Sachen zur Verfügung und läßt Ursula bitten, sie zu reinigen, und wenn es nötig sein sollte, sie auszubessern. Er will uns morgen sogar selbst vom Burg- hofe reiten sehen, um sich zu überzeugen, ob unsere Aus- stattung kunst- und stilgerecht ist." Annas Herz sch lug heftig, als sie am nächsten Morgen zur Burg eilte. Aber sie hatte einmal in den Scherz eingewilligt und mußte ihn vollführen, wenn sie sich nicht in den Augen des Grafen lächerlich machen wollte. Ursulas Zimmer glich einer Theatergarderobe, aber bald trat Anna aus ihm als schmucke Reiterin hervor. Rock und Ba- rett standen ihr herrlich, und ihre schlanke und schmiegsame Figur bildete in dem Anzuge eine liebliche Erscheinung. Sie bestieg Sigurds treuen Schim- mel, Sigurd dagegen in leich- ter Reitkleidung einen stolzen Rappen seines Herrn. Um das hübsche Bild zu vervollständi- gen, befahl der Graf, daß ein Reitknecht das Paar in ange- messenem Abstande begleiten solle. Sigurd ergriff den Laufzü- gel von Annas Pferd, und in kur- zem Galopp verließ die kleine Kavalkade den Burghof. Auf der Geithebrücke angekom- men, war Anna im Sattel bereits heimisch geworden. Ihr lichtes Kleid flatterte im Winde, und die lange Feder trieb mit den dicken Zöpfen ein neckisches Spiel. Die Markaner sahen dem Aufzuge, der sich bald dem Lichtberge genähert hatte, bewundernd nach. Der Alte stand im Tor des Hofes. Sigurd begrüßte ihn höf- lich, und der Lichtberger erwi- derte den Gruß in gleicher Weise. Dann legte er seine Hand über die Augen, um die Reiterin zu erkennen. „Anna und ich," nahm Sigurd das Wort, „sind gekommen, um dir die Grüße des Grafen zu bringen!" „Anna," sagte der Bauer in ge- dehntem Tone, als er seine Tochter erkannte, „wie kommst du zu dieser Verkleidung?" Da- bei griff er nach seinem Herzen. Sein Antlitz nahm einefahle Far- be und einen so schmerzlichen Ausdruck an, daß Anna diesen Anblick zeitlebens nichtverges- sen hat. „Es ist ja nur ein Scherz, Vater!" rief sie. Aber ihr Vater blieb stumm. Da wandte sie ihr Pferd, forderte Sigurd auf, ihr zu folgen und schlug den Weg nach Braam ein, um unauffällig den neugierigen Blicken der Umstehenden zu entgehen. Sigurd war von dem unerwar- teten Empfange natürlich wenig erbaut. Er brummte etwas von spießbürgerlicher Art, die er dem Alten zwar nicht übel nehme, die aber doch recht abstoßend wirke. „Ich habe bei euch soviel Liebe erfahren", sagte er zu Anna, „daß ich deinem Vater dankbar bleibe, und wenn er mir auch von heute ab seinen Hof ver- schließt. Ich finde nur sein star- res Verhalten so wenig begründet." Anna konnte ihm keine Aufklärung geben. Es war ihr, als fühle sie den Druck einer Schlinge, der ihr das Sprechen unmöglich machte. (Fortsetzung folgt) 19