• zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA • • 8. Arai 1995 Jacques Chauchard Ratsmitglied, Neufchateau „Kein Mensch könnte sich seine Jugend zu einem an- gemessenen Preis zurück- kaufen." Als Oscar Wilde diese Zeilen schrieb, emp- fand er sich wahrscheinlich zutiefst als Romantiker oder He- doniker. Heute sind es fünfzig Jahre her, daß die Länder Westeuropas, Deutschland eingeschlossen, von einem wahnsinnigen Diktator unterjocht wurden oder Gefahr liefen, unterjocht zu werden, ihre Befreiung erlebten. Wieviele von denen, die an dieser Befreiung teilgenommen haben, Englan- der, Deutsche, Franzosen, Magh- rebiner. Afrikaner und natürlich vor allem Amerikaner und Rus- sen könnten diesen Gedanken über eine zweifellos verlorene Ju- gend, die sie für den Preis der Freihelt hergaben, auf sich selbst beziehen. Wir, die wir diese Zeit nicht ken- nengelernt haben, sind meiner Meinung nach wahrscheinlich am wenigsten in der Lage und ha- ben kein Recht, davon zu sprechen. Indessen, nach so vielen Jah- ren des Schweigens brachen all- mählich die ehemals Deportier- ten der Lager Dachau, Struthof, Auschwitz, Mauthausen und auch viele andere Menschen al- ler Nationalitäten, die Deutschen eingeschlossen, ihr Schweigen. Ein Schweigen, dessen Ursa- che Georges Semprun, Schrift- steller, ehemaliger spanischer Kulturminister, Häftling in Bu- chenwald, in seinem im vergan- genen Monat erschienenen Buch „L'6criture ou la vie" folgender- maßen beschrieb: „Wir schwiegen, weil wir glaub- ten, niemand werde uns die er- lebten Schrecken glauben . . ." Heute sind diese grauenhaf- ten, unmenschlichen Schrecken entmenschlichter Diktatoren und auch die kleinen Schrecken, die alltäglichen, wage ich zu sagen, ständig wach in der Erinnerung unserer Generation und der un- serer Kinder Wir denken dabei auch an das Land, das unter dem Joch von Wahnsinnigen, die sich für Götter hielten, litt. Es ist also richtig, wenn die Lan- der sich heute erinnern. Ich möchte meine Freude dar- Ober ausdrücken, daß 1995 alle Lander sich diesem neuen, ge- eigneten Deutschland anschlie- ßen, einem bedeutenden Partner in einem neuen Europa, da ja auch ich, wie Präsident Mitte- rand, einem starken Deutschland in einem starken Europa den Vor- rang geben gegenüber einem starken Deutschland ohne Europa. Verzeihen Sie bitte die Abwe- senheit von Bürgermeister Jac- ques Drapier, der aufgrund staatsbürgerlicher Pflichten we- gen der Präsidentschaftswahl in Frankreich verhindert ist. Seien Sie versichert, daß er sich in tiefer Freundschaft mit Ihnen verbun- den fühlt. Wojciech Bachor Stadtpräsident, Kalisz „Meine Damen und Herren, liebe Freunde in unserer Part- nerstadt Hamm! Der heutige Tag ist ein Tag von besonde- rer geschichtli- cher Bedeu- tung. Heute vor 50 Jahren war der furchtbarste aller Kriege zu Ende. Heute vor einem halben Jahrhundert wurden die Men- schen in Europa von der faschisti- schen Gewaltherrschaft befreit. Wohl kein Volk Europas hatte diesen Tag so herbeigesehnt, wie das polnische Volk. Wohl kein Volk Europas hat so um das Ende des Krieges, das Ende der Ge- walt, des Mordes, der Zerstörung gebetet, wie das polnische Volk. Denn der 8. Mai 1945 war ja das Ende einer grauenvollen Zeit, die am 1. September 1939 begann. Beide Tage stehen in engem Zu- sammenhang, und beide Tage haben ihre Wurzeln im 30. Januar 1933. Meine Damen und Herren, 50 Jahre nach dem 2. Weltkrieg ha- ben die Menschen bereits verge- ben aber nicht vergessen, daß dieser Krieg mit dem Angriff auf mein Vaterland begann. Verge- ben aber nicht vergessen ist auch, was in diesen furchtbaren Kriegsjahren geschehen ist. Die große polnische Schriftstel- lerin Zofia Nalkowska hat 1945 geschrieben: „Dieses Schicksal haben Menschen einander ange- tan". Polen und andere Völker ha- ben vieles erleiden müssen. Au- schwitz, Meydanek, die Ghettos in Warschau und Lodsch - es sind die Stätten des Grauens gewe- sen, das sich jedem Vorstellungs- vermögen entzieht. Liebe Freunde in Hamm, wir brauchen und haben die Kraft, der Wahrheit der Ereignisse vor 50 Jahren ins Auge zu sehen. Je ehrlicher wir damit umgehen, umso freier sind wir, auch verant- wortungsbereiter, solches nie wieder geschehen zu lassen. Und wir sind auf einem neuen Weg. Gewiß, unsere beiden Lander haben auch nach dem 2. Welt- krieg viel Zeit, viele Jahre verlo- ren. Aber nun, am Ende des Jahr- hunderts, haben wir die ge- schichtliche Verantwortung un- sere beiden Völker und alle Völker Europas miteinander freund- schaftlich zu verbinden. Die deutsche Einheit, liebe Freunde in Hamm, hat unsere beiden Länder nicht entfremdet, sondern sie bedeuten näherge- bracht. Das Entscheidende war aber, daß die Einheit Deutschlands zu- sammenfiel mit der demokrati- schen Wende in Polen. Beide Prozesse waren nicht nur zeitlich, sondern auch kausal miteinander verbunden. Der 8. Mai 1945 markiert das Ende des Faschismus. Heute, 50 Jahre später, stehen wir europä- ischen Völker vor der großen Auf- gabe, die Zukunft unserer Kinder friedlich zu gestalten. So laßt uns gemeinsam aus Nachbarn Freunde machen, laßt uns einan- der begegnen. Begegnungen sind das beste Mittel, Menschen kennenzulernen, zumal wenn Be- gegnungen von einem Lernpo- zeß begleitet sind. Laßt uns diesen Weg gemein- sam gehen, wir in der polnischen Stadt Kalisz und Ihr, meine Freunde, in der deutschen Stadt Hamm. Es lebe der Friede unter den Völkern und es gedeihe die Freundschaft und gute Zusam- menarbeit zwischen den Völkern: Polens und Deutschlands". Barry Thorne Member of Council, Bradford „Herr Oberbür- germeister, meine Damen und Herren, liebe Freunde in unserer Part- nerstadt Hamm! diesen Stunden c erin- nern sich viele Menschen in der ganzen Welt an das Ende des 2. Weltkrie- ges, heute genau vor 50 Jahren. Mein Land und meine Lands- leute feierten damals den Tag mit großem Jubel. In Es war der Jubel des Siegers. Zugleich aber waren die Men- schen froh, daß dieser furchtbare Krieg endlich beendet war. Er hatte auf allen Seiten tiefe Wunden geschlagen, unendli- ches Leid, Trauer, Tod und Verwü- stung verursacht. Der Krieg, der von Deutsch- land ausging, war nach Deutsch- land zurückgekehrt. Coventry in meiner Heimat und Dresden in Deutschland - die Sinnlosigkeit des Krieges, der Verlust der Zivilisation - hier wur- den sie deutlich. Aber dieser Tag vor 50 Jahren, liebe Freunde in Hamm, war auch der Tag der Hoffnung. Es war die Hoffnung auf eine Zeit des Friedens, der Humanität, der Toleranz und der Freundschaft unter den Völkern. Diese Hoff- nung hat sich erfüllt. So überbringe ich Ihnen die Grüße meiner Heimatstadt Brad- ford. Es sind die Grüße der Freundschaft, der Partnerschaft und des Friedens. Was vor 50 Jahren nur Hoff- nung war, ist heute Wirklichkeit geworden. Die Bürgerinnen und Bürger unserer Städte haben sich die Hand gereicht und Frieden miteinander geschlossen. Wir versprechen zusammen, diese Freundschaft zu be- wahren, damit wir und die nachfolgenden Generationen in einer friedlichen Welt leben können." 11