Noch bis zum 24. Juni zeigt das Hammer Gustav-Lübcke- Museum das Werk von Theo- dor Brün, der 1885 in Hamm geboren wurde. Mit der Brün- Ausstellung überbrückt Mu- seumsdirektor Hans Wil le eine Zeitspanne von knapp acht Jahrzehnten, stellt Dokumente der geistigen Auseinanderset- zung vor, die während vier so verschiedener Epochen deut- scher Geschichte entstanden sind, wie es die Kaiserzeit, die erste Republik, das Hitlerregi- me und die des demokrati- schen Neubeginns nach 1945 waren. Es dürfte nicht häufig Gele- genheit sein, das Werk eines lebenden Künstlers vorzustel- len, dessen Anfänge noch in die Zeit der Jahrhundertwen- de zurückreichen. Das Städti- sche Gustav-Lübcke-Museum Hamm zeigt gegenwärtig ei- nen breit angelegten Ober- blick über das Schaffen von Theodor Brün. Mit seinem Ausstellungsprogramm will sich das Museum auch immer wieder solchen Künstlern öff- nen, die mit der Stadt Hamm verbunden sind. Das gilt für Theodor Brün, der 1885 in Hamm geboren wurde, der je- doch schon früh nach Hagen zog, wo er heute noch lebt. Für das Hammer Museum bedeutet Brün nun keines- wegs eine Entdeckung, allen- falls könnte man von einer Wiederentdeckung sprechen, findet sich eine Anzahl von druckgraphischen Blättern des Künstlers in der Graphi- schen Sammlung des Mu- seums seit Ludwig Bänfers Zeiten, Nachfolger Gustav Lübckes im Amt des Museumsdirektors. Zu den früheren Erwerbungen des Museums gehörten auch Holz- plastiken Brüns, die jedoch der Kulturbarbarei des Nazire- gimes und den Kriegswirren zum Opfer fielen. dem Das Lebenswerk Bruns — man darf es ruhig so nennen — überrascht durch seine Vielfalt der dargestellten In- halte. Brün hat sich mit glei- cher Intensität den verschie- denen Ausprägungen der Landschaft, wie zum Beispiel der Stadtlandschaft, der un- mittelbaren Umgebung des ei- genen Wohnbereichs, dem freien Gelände sowie der Fluß- landschaft zugewandt. Breiten Raum nimmt das Bildnis ein, sowohl das Einzelbildnis, hier insbesondere das Selbstbild- nis, als auch die Darstellung Der Künstler Theodor Brün, dessen Werke zur Zeit im Gustav- Labcke-Museum gezeigt werden. „Der Stil interessiert mich nicht, nur die Glaubwürdigkeit' von Figurengruppen in All- tagsszenen. Mythologische Themen schließen sich an, auch einige treffende Tierdar- stellungen. Der thematischen Vielfalt entspricht auf der an- deren Seite der Reichtum der technischen Mittel. Es bezeugt Bruns hohen künstlerischen Anspruch, daß er sie stets in einer dem Thema angemesse- nen Weise im Dienste der „Ehrlichkeit der Darstellung" einsetzt: Bleistift, Tuschfeder, Aquarell-und Deckfarben, Kreiden und Farbstifte, die häufig in einer schrittweisen Abfolge zur Anwendung kom- men und den Bildgedanken verdeutlichen, Holzschnitt und Radierung als druckgraphi- sche Techniken, Ölfarben, schließlich Holz, möglichst im vorgefundenen Rohzustand als Baumstamm oder auch als Bahnschwelle für seine bild- hauerischen Arbeiten, dazu wenige Arbeiten in Bronze. Schon die frühen Arbeiten Brüns, die in dem ersten Jahr- zehnt nach der Jahrhundert- wende entstanden sind, lassen in thematischer und auch .in technischer Hinsicht erken- nen, daß sich der Künstler nur schwer einer eng umgrenzten Schule oder Stilrichtung ein- fügen läßt. In der Wahl seiner Themen nimmt Brün zweifel- los die Tradition des 19. Jahr- hunderts auf, dies auch in ih- ren Gegensätzen. So finden sich Darstellungen aus der Welt der Arbeit und Industrie, die erst spät in das Blickfeld der Künstler geraten war. Ne- ben Schilderungen des bunten Treibens auf einer Kirmes, locker, impressionistisch, im spontanen Zugriff gemalte Landschaften ohne jede Figu- renstaffage neben Bekundun- gen der Sehnsucht nach ei- nem paradiesischen Leben fernab der Wirklichkeit mit ih- ren Problemen. Auch im Porträt zeigt sich das deutliche Anknüpfen an die Tradition. Das Selbstbild- nis mit Pinseln und Palette aus dem Jahre 1914 zeigt den Künstler in selbstbewußter bürgerlicher Pose, in fast alt- meisterlicher Manier gemalt; ein zweites aus dem gleichen Jahr stellt ihn mit dem Mal- stock in der Rechten voller Pa- thos dar, im Hintergrund eine Stadt, die in der malerischen Durchführung deutlich das Bemühen um Steigerung des Ausdrucks und Realismus zu erkennen gibt. Nach der Kata- strophe dann, 1918, ist ein Selbstbildnis entstanden, das den Künstler nur noch sche- menhaft vor einem weißen Vorhang, der den Blick auf ei- ne Stadt verwehrt, in Erschei- nung treten läßt. Wer nach den Formeln im Schaffen Brüns sucht, wird sich vergebens mühen. Das zeigen nicht zuletzt seine pla- stischen Arbeiten. Es ist schon eine erstaunliche Tatsache, daß ein Künstler, der sich zum großen Teil mit zeichneri- schen Mitteln auf der Fläche äußert, nun auch in plasti- schen Arbeiten zu uns spricht, die ja räumliche Gebilde sind. Auffallend ist, wie Brun die Fi- guren aus den Gegebenhei- ten des Rohmaterials ent- wickelt, besonders sinnenfäl- lig wird dies bei einer „Drya- antiken Baumnymphe, die aus einem Baumstamm geschnitzt ist, von dem ihr ein unbearbeiteter Teil als Sockel dient. einer Es ist wohl keine Übertrei- bung, wenn man feststellt, daß Bran denjenigen Betrachter reich beschenkt, der bereit ist, auf die besonderen Bedingun- gen jedes Einzelwerkes einzu- gehen, auf Werke eines Künst- lers, der von sich sagt: „Der Stil interessiert mich nicht, nur die Glaubwürdigkeit der Arbeit ist wichtig". Burkhard Richter 19