HAMMAGAZIN laß, zwei private Gebäude in Hamm als Beispiele dieser Eigen- initiative im Sinne der Denkmal- pflege vorzustellen: einmal das Haus Oststraße 14 in der Fußgän- gerzone gelegen, ein Haus mit einer auffallend aufwendigen Ar- chitektur und Fassade, im Gegen- satz dazu das Haus Südstraße 10 neben dem städtischen Kultur- amt, ein schlichtes, bürgerliches Haus. In hervorragender und vor- bildlich zu bezeichnender Weise hat es der Eigentümer beider Häuser, der Hagener Restaurator Josef Janorschke, verstanden, mit viel Sachverstand und handwerk- lichem Können — als staatlich geprüfter Restaurator ist er gleichzeitig Vorsitzender der „Fachgruppe Restaurator im Handwerk e. V." — auch mit gro- ßem finanziellem Einsatz beide Hauser mustergültig und denk- malgerecht zu restaurieren. Wer das Haus Oststraße 14 — Anno 1901 ist in dem Stuckwap- pen zu lesen — vor der Restaurie- rung noch in Erinnerung hat, wird zunächst sagen, daß das, was er jetzt vorfindet, nicht mehr das ur- sprüngliche Haus ist, Und doch ist es so. Vor Jahren noch ein unan- sehnliches altes Gebäude aus der Zeit um die Jahrhundertwen- de, eigentlich nur noch wert, es abzureißen, um an seiner Stelle ein lukratives Geschäftshaus neu zu errichten, strahlt es heute in neuem Glanz. Nach seiner gründ- lichen und — wie ich meine — stilistisch hervorragend gelunge- nen Restaurierung nach alten Ar- chivplänen ist dieses Gebäude eine Bereicherung nicht nur für diese Straße inmitten zahlreicher neuerer und moderner Ge- schäftshäuser, sondern für die Stadt schlechthin. Ein giebelstän- diges Haus mit einer Giebelfassa- de, die stilistisch insgesamt ei- gentlich gar nicht einzuordnen ist, vereint sie doch Stilelemente aus verschiedenen Epochen in ei- nem, ein sogenannter Komposit- giebel, der in dieser Form in wei- tem Umkreis, wenn nicht gar in ganzem Land, einmalig sein dürf- te. Da finden sich barocke Stilele- mente sowohl in der Symmetrie der Anordnung als auch in den Details der Bekrönungen, der Fensterleibungen und der Mu- schelteile; die Gesimsgliederun- gen und Seitenschwünge, die Ke- geln und Kugeln, teils mit echtem Blattgold, sind wiederum Charak- teristika der Renaissance, wäh- rend die Zierleisten, Zierplatten, Wappen und das Blattwerk der Neugotik zuzuordnen sind und an Maßwerke erinnern. Die in hellem Grundton gehaltene Fassade er- halt ihre zusätzlichen Akzente durch dezente, sparsame Farb- gestaltung in den Wappen und durch die vergoldeten Ornamen- te. Auf vier filigranhaft schmalen Stahlsäulen mit Kompositkapitel- len, ebenfalls vergoldet, die die Fassade im Erdgeschoß gliedern, ruht der vergleichsweise massige . . . und Oststraße 14. Giebel. Alle Details, selbst die kleinsten, verraten selbst dem Lai- en, mit wieviel Sachverstand und großem handwerklichem Kön- nen, mit wieviel Liebe zum Detail und zum Denkmal insgesamt hier gearbeitet wurde. Es müßte für die, die in diesem Hause wohnen und arbeiten — im Erdgeschoß ist eine Gaststätte —, ein gutes Ge- fühl sein, hier zu leben. Dem Re- staurator muß man einfach Lob und Dank spenden für das, was er hier — insbesondere für das Er- scheinungsbild der Stadt Hamm — geschaffen hat. Hauslaterne Oststraße 14 Ganz anders erscheint da das Haus Südstraße 10, nicht weit von der Oststraße, ein altes, dreiseitig verputztes Fachwerkhaus, in dem vor seiner Restaurierung in den 50er Jahren ein Geschäft mit ei- ner großen Schaufensteranlage eingerichtet wurde. Die Wohnun- gen darüber entsprachen mit ih- rer spärlichen Ausstattung nicht heutigen Ansprüchen. Für den neuen Eigentümer stellte sich die Aufgabe, das Ge- bäude — außer der Wohnungs- sanierung — in seinen Fassaden so zu restaurieren, daß es dem ursprünglichen Vorbild möglichst nahe kam. Dabei mußte das Nachbarhaus, das Haus Vor- schulze (heute Kulturamt der Stadt) in die Überlegungen ein- bezogen werden, sollte doch ei- nerseits der Charakter des bür- gerlichen Hauses bei sinnvoller Vor dem Abriß gerettet und in neuem Glanz: Süd- straße 10... 4 Nutzung gewahrt werden, ande- rerseits sollte es sich nicht vor dem massiven Nachbarhaus ducken müssen. Die Straßenfront wurde wieder geschlossen, die Fenster im Verhältnis denen im Obergeschoß angepaßt, wobei durch Kämpfer- und Sprossentei- lung vermieden wurde, die Off- nungen als gähnende Löcher er- scheinen zu lassen; die vorhan- denen Gesimse wurden restau- riert bzw. erneuert, Fensterumrah- mungen und Sohlbänke der neu- en Erdgeschoßfassade dem Vor- bild angepaßt; das Dach mit sei- nen Krüppelwalmen wurde mit roten Tonpfannen neu einge- deckt, die Gaupen mit Natur- schiefer verkleidet, die alten Rin- nen durch Kupferschiefer ersetzt; das nur noch im Obergeschoß der Rückfront sichtbare Fachwerk ist wieder fachgerecht restauriert und die Fassaden in freundlichen, zum Nachbarhaus passenden Farbtönen gestrichen. Nach Ian- ger Vacanz ist es heute wieder bewohnt und lebt. Auch bei diesem Gebäude kann man dem Restaurator Josef Janorschke Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen be- scheinigen. Es ist ihm wieder mal gelungen, alte Substanz nicht nur zu erhalten, sondern auch durch geschickte Restaurierung der Denkmalpflege einen großen Dienst zu erweisen und dem Bild der Stadt Hamm ein weiteres Mo- saiksteinchen hinzuzufügen. Ich wünsche mir, daß ich mit meinem Beitrag wenigstens eini- gen Leserinnen und Lesern zu- mindest einen Denkanstoß ge- ben konnte und vielleicht der eine oder andere, der im Besitz eines alten, erhaltenswerten Hauses ist, motiviert wurde, sein Haus — auch wenn es nicht unter Denk- malschutz steht — statt abzurei- ßen zu restaurieren im Sinne des Denkmalschutzes; denn auch in alter Substanz ist Leben lebens- wert. Dipl.-Ing. F Spannagel