HAINAGAZIN Hamm als Lebensmittelzentrum Mehl für die Saudis oder Fleisch für Südafrika Die Schlagzeilen des seit der Neuordnung montangeprägten Hamm gehören dem problem- befrachteten Wirtschaftszweig Kohle oder beispielsweise auch dem Draht oder der Chemie. Si- cherlich nicht so publikums- trächtig — eher schon geräu- schlos — sorgen die Investoren der Wirtschaft indes für einen Strukturwandel mit starken mit- telständischen Akzenten: Hamm als Lebensmittelzen- trum. Der römische Feldherr Lukullus, bekannt für seine Freude am Genuß, brauchte in Hamm auf nichts zu verzichten. Und auch Großkunden in der Bundesrepublik, im europäi- schen Ausland und in Übersee schätzen den Hammer Lebens- mittelmarkt als Zulieferer oder Abnehmer. Wenn ein mit Lebensmittel- rohstoffen beladenes Schiff in den Hammer Hafen einläuft, hat die Ware oft schon eine Weltrei- se hinter sich. Zum Beispiel Raps oder Sonnenblumenker- ne aus Kanada. Zielort: Ölmüh- le Brökelmann im Hammer Ha- fen, ein traditionsreiches Indu- strieunternehmen, das vor acht Jahren seinen 150. Geburtstag feiern konnte. 30 bis 35 Mio. Haushaltspackungen mit Tafel-, Speise- und Sonnenblumenöl für die gute Küche verlassen jährlich das Hammer Unterneh- men per Lkw. Abnehmer: Le- bensmittelgroßhandel, Großdis- counter oder die Margarine- und Mayonnaise-Industrie zwi- schen Flensburg und Passau — aber auch im benachbarten eu- ropäischen Ausland. Ernäh- rungsprobleme der Vereinten Nationen sorgen schließlich da- für, daß Qualitätsöl aus Hamm auch Haushalte in Haiti oder Westafrika erreicht. Hammer Hafen mit großem Warenumsatz Überhaupt der Hammer Ha- fen als Standort. Ca. 400 bis 450 Tonnen Weizen täglich verar- beiten hier nach hohen Investi- tionen die vollautomatischen läckering-Mühlenwerke in ei- .er der modernsten Mühlen Eu- ropas. Der Rohstoff — Weizen — kommt beispielsweise aus der Soester Börde oder Frank- reich — aber auch aus dem Nor- den der USA, nämlich protein- reicher Weizen für die Zwie- backindustrie. Jäckering als 16 Hersteller von Spezialmehlen trägt erheblich zum hohen Ex- portanteil am Hammer Indu- strieumsatz bei. 30 % der Mehle verlassen ausschließlich auf dem Wasserweg Hamm und er- reichen via Rotterdam Kunden in Saudi-Arabien, Lybien, Sri Lanka (Ceylon) oder Rußland, aber auch in Kolumbien oder Chile. Bei der Herstellung vita- ler Spezialproteine, z.B. für die Backhilfsmittelindustrie beträgt der Exportanteil sogar 50%. Üb- rigens ein gespaltener Markt. Beim Verkauf des Mehls regeln Angebot und Nachfrage den Markt. Beim Einkauf des Roh- stoffes gilt die europäische Ge- treideverordnung und schreibt den Mühlen vor, was sie je Dop- pelzentner Weizen mindestens zu zahlen haben. Und auch das: 70000 Tonnen Lagerraum für Nahrungsmittel und Futter ste- hen im Hammer Hafengelände zur Verfügung. Schon 210 Jahre alt ist die As- beck-Presshefefabrik und Bren- nerei. Ihr „angeschlossen" ist die sechs Jahre junge A.B.C. Allback-Vertriebsgesellschaft. Sie ist Abnehmer der gesamten Asbeck-Hefeproduktion und verteilt ihr übriges breites Wa- rensortiment in einem Gebiet von Wilhelmshaven bis nach Karlsruhe und von Aachen bis nach Helmstedt. Ein Warensor- timent, das von Milchpulver, Zuckererzeugnissen oder Back- sirup bis hin zu Sauerteig oder Obstkonserven reicht. Lebensmittel für 200 Filialen Großhandelsfunktionen — aber nur innerhalb der eigenen Unternehmensgruppe — übt die Plus-Warenhandelsgesell- schaft im Hammer Westen aus. Mehr als 200 Filialen im Mün- sterland oder Sauerland und östlichem Ruhrgebiet, aber auch im westlichen Niedersach- sen oder in Teilen Hessens sind die Abnehmer dieses Lebens- mittel-Vollsortimenters, der mit 250 Beschäftigten wesentlich zur Entschärfung der Arbeitsplatz- situation in Hamm beiträgt. Auf derselben Verteilerstufe — nur in mittelständischer Grö- ßenordnung — ist die Firma Reschco tätig, die von ihrem Zentrallager im Gewerbegebiet Hamm-Westen 13 Filialen auch in den Städten Werne, Bergka- men und Werl u.a. mit Lebens- mitteln versorgt. Auf zwei Vertriebsschienen fährt die Rullko-Ein kauf GmbH & Co. KG: einem cash-and-car- ry-Markt am verkehrsgünstigen Standort Autobahnabfahrt Rhy- nern und einem Zustellgroß- handel im Hammer Süden. 4000 Artikel im Zustellgroßhandel er- reichen Großverbraucher wie Krankenhäuser, Sanatorien, Großkantinen, Studentenwer- ke, Haftanstalten oder die Bun- deswehr. Im c & c Markt ist der Hauptkundenkreis die Gastro- nomie im Umkreis von etwa 30 bis 35 Autominuten. Großmarkt als „Frischezentrum" In seiner Bedeutung für eine moderne und aktuelle Verbrau- cherversorgung oft unter- schätzt wird der auf 15000 qm Fläche angesiedelte Hammer Großmarkt. Vom Gleisanschluß der Deutschen Bundesbahn profitiert beispielsweise die Fir- ma Manss & Sohn mit einem Ab- satzgebiet von bis zu 150 Kilo- meter um Hamm. In ihrer Nach- barschaft hat sich jetzt ein Fri- schezentrum neu angesiedelt. Weltweit sind die Kontakte auf der Beschafferseite des Ham- mer Großmarktes. Knapp ein Drittel des Angebots kommt aus außereuropäischer Produktion, z.B. Feigen aus Brasilien, Avo- cados aus Kenia, frischer Papri- ka aus Israel oder Honigmelo- nen aus Südafrika. Auch Spe- zialisten haben sich an diesem Standort niedergelassen. Frischfisch von der deutschen Küste, aber auch aus Däne- mark, den Niederlanden oder Norwegen gehört ebenso zum Sortiment wie Räucherfisch und Marinaden für den Einzel- handel und die Gastronomie in einem Raum zwischen Mün- ster- und Sauerland — angebo- ten von der Großhandelsfirma Hanke. Den hohen Anteil der Griechen an der westfälischen Bevölkerung hat längst ein „Landsmann" als Marktnische erkannt. Aus einem Umkreis von 100 Kilometer kommen vor- wiegend Inhaber griechischer Restaurants auf den Hammer Großmarkt, um hier griechi- sche Spezialitäten vom Wein bis hin zu Konserven einzukau- fen. Die Beschickung des Ham- mer Großmarktes erfolgt zum größeren Teil per LKW. Die „Brummis" aus Rumänien, Spa- nien, Italien oder Ungarn wären der Stadt sicher dankbar, wenn sie mit einer großzügigen und dringend notwendigen Beschil- derung mit dazu beitragen wür- de, daß dieser Standort auch gefunden wird. Als Spezialist im Lebensmit- tel-Großhandel tritt die Firma Kleine KG im Hammer Süden auf. Bäckereien und Konditorei- en machen 80% des Umsatzes aus, der auch Eissalons, Pizze- rias, den Lebensmittelhandel oder Kioske erreicht. Hammer Bier — auch in Japan Rechnet man das Bier auch einmal nördlich des „Weiß- wurst-Äquators" zu den Le- bensmitteln, so gehört auch die Privat-Brauerei Isenbeck zu den Spezialanbietern. Schließlich gehören neben der klassischen Gastronomie auch die größten Lebensmittelgenossenschaften im östlichen Ruhrgebiet zm Kundenkreis. Hauptabsatzge- biet des Sortiments von Pils Ober Malz bis zu Kloster-Alt ist die alte Provinz Westfalen. Aber auch in Japan, Italien oder den USA kann man den Hammer „Keut" genießen — wenn man (viel) Gluck hat. Eher gelingt dies jedenfalls noch denen, die auf einer Schiffsreise den Duft der Großen Welt genießen möchten. Auch der weltberühmte italie- nische „Parma-Schinken" kommt als Spezialität zum Teil aus Hamm. Wöchentlich geht ein ganzer Lastzug voller fri- scher Schinken der Westfleisch Vieh- und Fleischzentrale in Uentrop auf die Reise in den SO- den. 15% der Fleischmenge des umsatzstarken modernen Ver- sandschlachthofes werden ex- portiert: nach Frankreich, Grie- chenland, eben Italien, aber auch Nordafrika und — speziel- le Därme — in die USA. 1,5 Mrd. DM beträgt der Gesamtumsatz der Gruppe einschließlich der weiteren Versandschlachthöfe in Coesfeld, Lübbecke und Pa- derborn. Wöchentlich können in Hamm schon jetzt 12000 Schweine und 600 Stuck Groß- vieh geschlachtet werden. Be- liefert werden Handelshäuser, Fleisch- und Wurstfabriken, Le- derwarenindustrien und Fett-