ausmachen: „Man muss gut mit Men- schen auskommen und viel Finger- spitzengefühl haben, wortgewandt sein und darf vor allem kein Stundenknau- ser sein“, hat der 65jährige erfahren. Den ersten imposanten Gast hatte der junge „Leo“ als Lehrling, als er Theodor Heuss im Weinhaus Belling die Tür aufhalten durfte. Später, als er schon im Dienst der Familie Kupitz, der er 35 Jahre verbunden blieb, im Kur- gartenhotel Werl arbeitete, gehörte Ex- Reichskanzler Franz von Papen zu sei- nen regelmäßigen Gästen. In dieser Zeit wurde aus „Leo“ „Poldi“. „Ein Kanadier hatte mit mei- nem Namen ‘Leopold’ immer Schwie- rigkeiten, so dass er mich nur ‚Poldi’ nannte. Und heute wissen viele Gäste nicht einmal mehr meinen Nachnamen, so sehr hat sich Poldi durchgesetzt.“ Wie jeder gute Kellner hat Poldi En- de der 50er Jahre auch unruhige Zei- ten auf Wanderschaft hinter sich: „Im Frühjahr wackelten bei mir immer die Koffer, da wurde ich unruhig. Und dann ging´s im Sommer in Saison auf die Nordseeinseln. Das waren meine schönsten Berufsjahre“, schwärmt er noch heute. Mit Bruce Low und Hazy Osterwald, Heinz Erhard und den Blue Diamonds zog er in den goldenen Wiederaufbaujahren von Baltrum über Norderney nach Helgoland – und kehr- te im Herbst brav nach Hamm zurück. Sein wichtigstes Souvenir aus dieser Zeit ist Ehefrau Christa, die Poldi Witteborg auf Baltrum kennen lernte und mit nach Hamm nahm. Auch sie ist heute noch als Kellnerin tätig: „An- ders ginge auch eine Ehe mit einem Kellner nicht gut. Nur wer das Geschäft kennt, hat Verständnis für den enormen Zeiteinsatz, den wir haben“. „Poldi“ wurde ruhiger, den Kupitzens folgte „Poldi“ von Werl nach Hamm: 1963 ins Kurhaus, 1981 in den „Grü- nen Baum“, dessen Entwicklung ihn noch heute stolz macht: „Franz Kupitz wollte da eigentlich nur Frikadellen ver- kaufen. Aber dann haben wir uns zum richtigen Gourmettempel gemausert. Und Frau Plätzer, die jetzige Pächterin, hält heute dieses Niveau“, erzählt die „gute Seele des Lokals“, wie er von den Gästen genannt wird. „Bis ich 70 bin, möchte ich schon noch dabeiblei- ben”, wünscht sich nicht nur Poldi Witteborg. Seit 50 Jahren der perfekte Kellner: „Poldi“ Witteborg. „Bis ich 70 bin, möchte ich schon noch dabeibleiben“ Hammer Original im Kellnerfrack: „Poldi“ bedient seit 50 Jahren Er ist seit einem halben Jahrhundert der gute Geist der Ham- mer Gastronomie: „Poldi“ Witteborg ist für viele Hammer der Inbegriff des perfekten Kellners: Zuvorkommend, elegant und kontaktfreudig, aber niemals zu vertraulich. Soviel Perfektion kommt nicht von ungefähr: 50 Jahre ist „Poldi“ den Gästen der Hammer Restaurants zu Diensten. Heute ist Poldi ein Hammer Orginal, aus der Hammer Gastro-Geschichte nicht mehr wegzudenken. Am 2. April 1954 trat der junge „Leo“, wie er da- mals genannt wurde, seine Lehre im Weinhaus Belling an der Pauluskirche an. Am 2. April 2004 feiert er sein be- eindruckendes Dienstjubiläum mit ei- ner Feier im „Grünen Baum“. Sylvestersketch „Dinner for one“. Doch dessen übermäßige Liebe zum guten Tropfen hat er früh als gefährlich er- kannt: „Ich habe viele Kollegen gehen sehen, die unserem Berufsrisiko Alko- hol verfallen sind. Ich konnte immer gut Nein sagen, auch wenn die Gäste oft drängen, mit ihnen mal einen zu trinken.“ Bei Belling fand Leo seine Berufung: So macht Herr Witteborg immer ei- „Ich wollte eigentlich eine Lehre bei der Post machen. Zum Glück ist das nichts geworden, denn ich kann mir keinen schöneren Beruf als das Kell- nern vorstellen“, sagt er auch nach 50 harten Jahren. Er wurde als Buffe- tier und Hotelpage ausgebildet, in der Weinkellerei unterwiesen. „Viele 1000 Liter Wein habe ich bei Bellings abge- füllt. Und mich nebenbei zum Wein- liebhaber und –kenner entwickelt.“ Poldi Witteborg wurde ein Original wie Miss Sophies berühmter Kellner James in Freddie Frintons legendärem nen untadeligen Eindruck, stets mit weißem, gestärktem Hemd, schwar- zem Anzug und gut gewienerten schwarzen Schuhen. Von alldem hat er in 50 Jahren eine Menge verbraucht: Sechs Paar Schuhe sind immer gleich- zeitig im Einsatz, an den Hemden ver- dienten die Wäschereien manche Mark, für Frack und Anzug musste ein guter Teil seines Lohns ausgegeben werden. Und doch sind es andere Voraus- setzungen, die einen guten Kellner nach Herrn Witteborgs Erfahrungen 26