Kulturförderpreis Literatur April 98 9 I ch werd' wohl irre, sagte sie selbst manchmal und lachte wie hämisch. Das natürlich wollte niemand wissen. Der Arzt verschrieb Medikamente, damit würde sie in zwei, drei Monaten wieder halbwegs funktionieren, so hatte er ihr gesagt. Und alle redeten ihr gut zu: Sie solle die Medikamente auch bloss wie verordnet einnehmen, dann würde d a s bald wieder verschwinden, gesegnet sei die Pharmazie. Die Medikamente füllten ihr die Hohl- räume der Knochen mit Blei. I hre Zunge wurde schwer und sie brachte nur noch Lallen über die Lippen. Mühsam schlepp- te sie sich mitkleinen Schritten durch die Tage. Jedem, der es wissen wollte oder auch nicht, erzählte sie ihren Wahn. Sie musste viel erzählen. Lallte ihr Elend den Leuten ins Gesicht mit Hektik wie in Zeitlupe, starren Blickes, die Augen leer unter schweren Lidern. I rgendetwas musste passiert sein, sie war sich sicher, irgendetwas, irgendwann ein- mal. Sie konnte nichts Genaues sagen. Sie vermutete. Das hatte mit Haut zu tun, mit Haut. Der Onkel fiel ihr ein. Sie fand nicht passende Worte. Beim Arzt erhoffte sie sich eigentlich eine Hilfe. Sie redete, redete. Der Arzt schüttelte immerzu leicht seinen Kopf hin und her, also, sagte er einmal zu ihr, wenn Sie nichts genaues erinnern, das ist so eine Sache, da wäre ich wirklich vorsichtig mit Vermutungen und Anschuldigungen, da wird ja dieser Tage auch viel Schind- luder getrieben mit diesen Dingen, wis- sen Sie, da muss man vorsichtig sein; wenn da etwas gewesen wäre, dann--- Stück I V: Lücken Früher, als sie noch Kind war, da hatte der Onkel eine Weile bei ihnen gewohnt. Seine Frau hatte ihn zu Hause rausge- worfen, und da war er dann bei ihnen eingezogen, in den ausgebauten Dach- stuhl des kleinen Einfamilienhäuschens. Er war der Bruder des Vaters. Sie hatte ihn als recht stillen Menschen in Erinnerung, tagsüber ging er zur Arbeit, er war Angestellter im Büro. Ansonsten war er sehr ordentlich, sehr sauber auch, das wurde gern gesehen. Und pünktlich war er, dass man die Uhr nach ihm stellen konnte. Abends sass er mit ihnen im Wohnzimmer, sah fern, redete mit den Eltern. Jetzt weiss sie gar nicht mehr, wie alt sie damals war. Sieben, acht ? Alles verschwimmt. Sie weiss nicht mehr die Stimme des Onkels. Manchmal, abends, waren die Eltern aus- gegangen und wohl ganz froh gewesen, noch jemanden im Haus zu haben, der dann und wann auf das Kind aufpasste, so hatten sie einige Stunden für sich ganz allein. Jetzt weiss sie gar nicht mehr, ob der Onkel dann mit ihr gespielt oder ob er ihr etwas vorgelesen hatte oder ob er ein- fach nur da gewesen war - kaum etwas aus jenen Tagen ist ihr im Gedächtnis geblieben. Sie weiss nicht mehr, sie weiss nicht mehr. Jetzt, im Krankenzimmer, steckt ihr wie eingebrannt jener Geruch in der Nase: Als ob sie eine fremde Haut riecht. I hr ist, als ob sie ein Streicheln erinnert. Gänsehaut. I hr ist, als ob das eigentlich ganz schön war. Sie war Kind und wusste wenig. I hr ist, als ob da noch irgendet- was war. I hr ist, als ob das eklig war. I hr ist, als würde sie auch Haare sehen. Die Haare dunkel und kraus, und die bedro- hen, angstmacherisch, ein Dschungel. Darin ein Ungetüm. I hr ist, als stächen ihr zwei Augen mitten ins Gehirn, böse. Das Hirn krampft. Stück V: Aufbruch Vor sechs Tagen hatte sie die Medika- mente ins Klo geworfen und weggespült. Sie wollte wieder spüren: Die Raserei des Blutes in den Venen. Das Herz ein Trommelwirbel. Und dann hatte sie auch gespürt: Den fetzerischen Schmerz in den Adern, die Haut wollte reissen, der Schädel wollte explodieren, Überdruck. Sie fragte sich nicht mehr, was das alles war. Es war ihr nicht mehr schrecklich. Sie stand auf dem Balkon und starrte wild in den Himmel und wusste, dort reissen gleich die Wolken und andere Welten werden ihr inken, mit Händen sonnengelb licht- hell und von magnetischer Anziehungs- kraft. Der Schmerz, der Ekel, die Angst, sie zitterte. Sie weinte auch. Etwas woll- te brechen aus ihr heraus und sie wusste, da will etwas ans Licht, da will etwas Befreiung, und sie wusste nicht, was tun, was tun, und sie stolperte in die Küche und erwischte ein scharfes Pizzamesser und wuchtete es in ihre Unterarme, in die Oberschenkel. I hr Freund kam herbei- gestürzt, und sie war wie blind und erkannte ihn nicht und sie dachte: Der Onkel, das ist der Onkel, und sie stach auf ihn ein. Stück VI : Kein Ende I m Krankenzimmer jetzt also. Sie liegt regungslos, nur die Hände zittern leicht. Am Fussende des Bettes steht der Onkel, sie sieht ihn aus den Augenwinkeln. Seine Schultern hängen nach vorn. Er ist blass. Er starrt mit müden Augen auf ihr Gesicht. Seine Lippen zucken. Die Kran- kenschwester sagt, er solle die Patientin doch besser allein lassen. Er schüttelt leise den Kopf und verliert eine Träne. Epilog Ungedachtes und Ungesagtes: Dennoch existent. Versteckt. Nicht geheuer. Versteckt im Keller und verdreckt und halb verreckt, irre geworden im endlosen Dunkel... - bricht sich ans Licht: Ein Ungeheuer- liches. Ein Ungeheuer... Licht. Leben. T -E I I GEBRAUCHTr + I TEJ Entsorgung von Altwagen mit Verwendungsnachweis ATH Kruppstr 7. Ahlen (lndustnegeb. Ost) Rut (0 23 82) 6 48 65 rt,zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA c haPPY Große Ausw ahl: Schiitzenfestkleider Brautmoden Abendkleider Smokings Kommunionkleider bis Größe 164 Verleih und Verkauf Von Brautkleidern, Cocktail- kleidern über Abendkleider, Schützenfestkleider und Zu- behör habe ich für jeden festli- chen Anlaß das richtige Kleid für Sie. I n Kamen-Methler Wickeder Straße 56 I nhaberin: H. Künne Telef. Terminvereinbarung ab 15.00 Uhr unter der Telefon- Nr. (0 23 07) 3 98 55. Samstags 9-14 Uhr Ich freue mich auf Ihren Besuch.