HA" Nini" "AG-AZIN Interview mit Manfred Hemmer MdL Frage: Seit fünf Jahren regiert die SPD mit absoluter Mehr- heit in Dusseldorf, trotzdem bestimmen Begriffe wie Arbeits- losigkeit und Strukturkrise den beginnenden Wahlkampf. Hat sich die SPD hier Ver- säumnisse vorzuwerfen? Hemmer: Sicherlich nicht. Lassen Sie mich die Stichworte aufgreifen: Die Arbeitslosigkeit ist in unserem Land — wie in der gesamten Bundesrepublik — auf einem erschreckend und unerträglich hohen Stand, das wird niemand bestreiten, erst recht kein Sozialdemokrat. Die Richtlinien der Wirtschaftspoli- tik werden jedoch in erster Linie in Bonn bestimmt, und jeder kann nachprüfen, daß die Arbeitslosenzahlen erst nach der Wende in Bonn auf diese bisher unerreichten Spitzen- werte geklettert sind. Landtag und Landesregierung können sich lediglich bemühen, den Arbeitsplatzabbau in unserem Land zu bremsen. Deshalb haben wir z.B. allein für den Arbeitsamtsbezirk Hamm bis 1983 über 15 Mio. Mark für Ar- beitsbeschaffungsmaßnahmen und Förderungsprogramme für arbeitslose Jugendliche bereitgestellt. Zur Strukturkrise: Eine Wirt- schaftslandschaft wie die Nord- rhein-Westfalens, die in über 100 Jahren gewachsen ist kann nicht von heute auf morgen umgekrempelt und moderni- siert werden. Als die SPD 1966 die Regierung in Düsseldorf übernahm, herrschte die Kohle- krise. Die konnten wir überwin- den. Die ganzen siebziger Jahre hindurch bis zum Anfang dieses Jahrzehnts litt unser Land unter der Stahlkrise, und auch hier haben wir mittlerweile das -gste überwunden, trotz man- er Rückschläge, die wir aller- dings nicht zu verantworten haben. Nehmen Sie z.B. die Hammer Hoesch Röhrenwerke: Der Betrieb hatte noch Mitte letzten Jahres Grund zum Opti- mismus, bis sich die USA gegen Röhrenimporte aus der Bundes- republik sperrte — nun mußten die Arbeitnehmer wieder zittern. Aber es ist doch nicht die Schuld der Landesregierung, 14 wenn der internationale Markt nicht funktioniert. Allerdings hat auch die Bundesregierung die deutschen Interessen nicht entschieden genug gegenüber den USA vertreten. Frage: Hat die SPD-Regierung ihren Handlungsspielraum denn überhaupt voll ausgenutzt? Hemmer: Ich glaube doch. Obwohl wir in den letzten Jah- ren sehr sparsam gewirtschaftet haben, konnten wir einige neue Akzente setzen. Unser Schwer- punkt lag und liegt in der Ge- meindeförderung, und hier ist NRW immer noch unbestritte- ner Spitzenreiter in der Bundes- republik. Sehen Sie sich einmal in Hamm um: Die Landesgar- tenschau, die Sanierungen der Zechensiedlungen, die jetzt be- gonnenen Wohnumfeldverbes- serungen — all das konnten wir in Hamm nur mit Unterstützung der Landesregierung leisten. Überlegen Sie einmal, von 1975 bis 1983 hat Hamm 1,35 Mrd. Mark an Landeszuweisungen erhalten, das sind drei voll- ständige Jahreshaushaltspläne unserer Stadt. Übrigens: Wir sollten dabei nicht unterschla- gen, daß Hamm dabei zu den am meisten geförderten Städ- ten im Land gehört. Frage: Die Hammer sollten also zufrieden sein? Hemmer: Zufriedenheit ist ein großes Wort. Was ich sa- gen will ist: Die SPD- Landesregierung hat nicht nur für unsere Stadt erhebliches geleistet, sie wird auch, wenn sie den Wählerauftrag be- kommt, in Zukunft so weiterar- beiten. Die Situation auf dem Hammer Arbeitsmarkt wird von drei Standbeinen bestimmt. Die Kohle, die Stahlverarbeitung und der Dienstleistungs- und Behördensektor spielen eine überdurchschnittlich wichtige Rolle. In Sachen Kohle, und nie- mand wird bestreiten, daß dies ein Erfolg der langfristigen Poli- tik der Landesregierung ist, haben wir in Hamm eigentlich keine Sorgen mehr. Heinrich Robert ist eine äußersterfolgrei- che Schachtanlage, und die Zukunft für Radbod scheint ja nun auch gesichert. Im Stahlbereich stehen si- cherlich noch schwere Zeiten vor uns, da müssen wir in Land und Stadt darauf achten, daß die Hammer Niederlassungen der großen Konzerne nicht ein- fach zur Dispositionsmasse werden. Im Dienstleistungsbe- reich schließlich sähen wir bes- ser aus, wenn nicht das Problem einer Hammer Bank existierte, durch das einige Hundert uner- setzliche Arbeitsplätze bedroht sind. Hier gibt es für alle Betei- ligten viel zu tun, doch ich muß klarstellen: ob Stahl oder Bank, die Versäumnisse sind nicht der Politik anzulasten, es handelt sich um Managementfehler, und wir Politiker müssen dies nun ausbaden. Frage: NRW leidet also unter unfähigen Managern? Hemmer: So einfach kann man das nicht sagen. Doch anscheinend fällt es vielen Unternehmen schwer, schnell genug auf Veränderungen zu reagieren. Seit Jahren vertreten wir Sozialdemokraten die These von der Abhängigkeit zwischen Arbeitsplätzen und Umwelt- schutz. Die Unternehmen dage- gen bezeichneten den Umwelt- schutz — und teilweise tun sie es noch heute — als Feind des Arbeitsmarktes. Erst nachdem das Land, um nur ein Beispiel herauszugreifen, den Fernwär- meausbau forciert hat, bemerk- ten viele, daß der Umweltbe- reich ein echter Wachstums- markt ist. Es ist eine unserer wichtigsten Aufgaben, dieses Bewußtsein zu stärken. Frage: Wollen Sie mit solchen Thesen den Grünen die Wähler abspenstig machen? Hemmer: Wieso? Die Grü- nen reden doch nicht von Arbeitsplätzen. Für sie ist die Umwelt ein freischwebender Wert. Um ein Bild aus der Medi- zin zu nehmen: Sie mögen ab und an die richtigen Diagnosen stellen, doch wenn es um die Heil ung geht, entziehen sie sich. Nicht zuletzt, weil sie kein Rezept kennen. Mit einer sol- chen Haltung kann man keine Politik für das bevölkerungs- reichste Land der Bundesrepu- blik machen. Wie eine solche Politik gemacht wird, beweist beispielhaft Landwirtschaftsmi- nister Matthiesen, der erfolg- reich versucht, Arbeit und Umwelt in der Politik in Gleich- klang zu bringen. Frage: Die CDU wirbt mit „Aufschwung für NRW" für die Landtagswahl. Was hat die SPD dem entgegenzusetzen? Hemmer: Dieser Floskel brauchen wir nichts entgegen- zusetzen. Herr Kohl wurde gewählt, weil der den Auf- schwung versprochen hatte — für die gesamte Republik. An den Bürgern unseres Landes ist dieser Aufschwung offensicht- lich vorbeigegangen, und doch wird nun schon der nächste angekündigt. Ich habe nichts gegen einen Aufschwung, der unseren Mitbürgern wieder Arbeit bringt und die durch die Bonner Rechtskoalition geschaffenen sozialen Unge- rechtigkeiten wieder rückgän- gig macht. Doch solch einen Aufschwung meinen die Kon- servativen ja gar nicht, davon können Sie sich jeden Tag am Arbeitsamt überzeugen. Frage: Herr Hemmer, wen oder was müssen Sie bei der Wahl am 12. Mai am meisten fürchten? Hemmer: Von Furcht kann überhaupt keine Rede sein. Die SPD ist eindeutig die stärkste Kraft im Land, die Konservati- ven können nur voneinander Stimmen gewinnen, und die Grünen bemühen sich ja nach bester Kraft, sich unwählbar zu machen. Für uns gilt, in Hamm wie im ganzen Land, den Bür- gern die Wichtigkeit der Wahl vor Augen zu führen. Es geht um die Zukunft unseres Landes, und es geht u.a. um die Mehr- heit im Bundesrat. Eine Gefahr für uns sehe ich höchstens in der zu großen Selbstsicherheit unserer Anhänger. Die Person des Johannes Rau und die Lei- stungen der Landesregierung könnte manchen dazu verleiten, die Wahl schon als gewonnen zu betrachten. Doch gewonnen haben wir erst, wenn wir am 12. Mai die absolute Mehrheit der Mandate erkämpft haben. Und das können wir nur schaffen, wenn wir bis zum Schluß Ober- zeugungsarbeit bei den Bür- gern leisten.