Wie Hannibal Archibald Moritz Mockel (H.A.M.M.) Gefangener der Wissenschaft wurde gement kam zustande: Zwei Kur- se, zahlreiche Einzelveranstal- tungen, und auf dem Heimweg pfiff Mockel öfter ein Liedchen, um zu testen, ob er nicht auch für Musik begabt sei. Die nächsten Wochen machten aus Mockel einen rundum zufrie- denen Menschen. Es gab keine unausgefüllten Stunden mehr, er gewann neue Freunde, mit denen es sich so gut nach einem „geisti- gen" Abend bei anregendem Geplauder noch was „Geistiges trinken ließ, und die Ruhestunden waren viel erholsamer. EinesTages jedoch meinte Han- nibal Archibald Moritz Mockel, er hätte genug Wissen in sich hinein- gestopft. Nun wollte er sich auch einmal produzieren. Unter den einen Arm klemmte er Teppiche, Mikrofone und eine Flüstertüte, unter den anderen Fähnchen und Schilder mit Aufschriften, wie „English spoken", „Hört, hört" und „Neuigkeiten", und zog in den Kurpark, um eine „Speakers Cor- ner--zu eröffnen. Hier redet und doziert nun Mockel überalles, und jeden Donnerstag verteilt er Löf- fel für diejenigen, die es mit der Weisheit ganz eilig haben. G. S. am nächsten, Morgen im Kopf haften blieb und selbst vom Ra- sieren nicht weggehen wollte. Da war Mockel überzeugt, das sei der richtige Schritt. Am gleichen Mittagschonsteck- te er neugierig seinen Kopf in die hehre Halle der Stadtbücherei am Ostentor. Wo sollte man da nun anfangen? Geschichte — das war ihm zu verstaubt, Literatur — zu gelehrt, Psychologie — im Kopf kam er sich noch ganz richtig vor, und Romane — die erzählte ihm seine Frau schon oft genug. Da nahm sich dem Unschlüssigen eine Bibliotheksfee an. Er hätte gern was Heiteres, sagte Mockel, und zog schließlich mit einem vorsichtshalber nur 100 Seiten starken Bändchen ab. Vor dicken Wälzern hatte er noch Angst. Dieser Abend verging wie im Fluge. Das Büchlein las sich ,am kuschelig warmen Ofen im Hand- umdrehen, und H.A.M.M. schlief mit lauter vergnügten Gedanken ein. Am nächsten Tag stand er wieder im Bücherhaus auf der Matte und deckte sich gleich bes- ser ein. Lesen, das fand er plötz- lich ganz dufte und es dauerte nicht lange, bis er sich auch Es regnete schon wieder Kanal- wanzen. Hannibal Archibald Mo- ritz Mockel, genannt H.A.M.M. starrte auf seine bleichen Hände, ob sich nicht vielleicht doch schon irgendwo Ansätze von Schwimm- häuten zeigten. Es war ein gräß- licher Abend, draußen wie drin, der einem glatt Tuberkulose ans Gemüt bringen konnte. Mockel war schon drauf und dran, seinem Brötchengeber einen Entschuldi- gungsbrief für den nächsten Tag zu schreiben, der per Flaschen- post durch die Gosse bestimmt rechtzeitig in der Firma ange- kommen wäre. Dann wäre er doch wenigstens das Übel Arbeit los. Ihn fröstelte. Hannibal braute sich einen neuen Grog und drehte lustlos an den Knöpfen des Glot- zophons, aber da kam er heute auchvom RegenunterAuslassung der Traufe direkt in die Katastro- phe. Wenn er doch wüßte, womit er sich beschäftigen könnte! Zu Weihnachten hatte es nur wieder SOS-Geschenke (Schlips — Ober- hemd — Socken) gegeben. Ein schönes Buch schenkte ihm schon lange niemand mehr, nachdem seine Frau einem Freund einmal auf solchen Vorschlag geantwor- tet hatte : „Ein Buch ?— Hat er doch schon." Mockel war so richtig unglück- lich. Als das letzte Fernsehpro- gramm den Kanal voll hatte, war das auch bei ihm nach den vielen Grogs der Fall, und er schlurfte zu seiner Bettstatt. Nun zählt H.A.M.M. beileibe nicht zu den Traumtänzern. Den- noch können einem im Traum mit- unter die besten Ideen kommen. Mockel sah sich plötzlich in ein buntes Schloß versetzt, in dem ihm ringsum an den Wänden Bücher die schönsten Szenen vorgaukelten. Bücherei, das war der Gedanke, der dem so oft ge- langweilten Bürger auch noch in Goethe und Kant, Naturwissen- schaft und Kunstgeschichte ver- tiefte. Gerade die Möglichkeit, sich immer wieder ein anderes Thema vorzunehmen und auch mal einen spannenden Krimi oder eine rührende Liebesgeschichte dazwischenzuschieben, begei- sterte ihn. So ganz allein machte der gei- stige Konsum aber auf die Dauer doch keinen rechten Spaß mehr. Die abendlichen Grogs wurden wieder mehr und die Lesestunden weniger. Man müßte in Gemein- schaft sein, sich austauschen, diskutieren können. Da fiel Mok- kels Blick zur rechten Zeit auf ein Volkshochschulplalt. Vorträge. Kurse, das war es, was ihm jetzt fehlte. Er besorgte sich ein Pro- gramm und war ganz erstaunt, was ihm da alles geboten wurde. „Die da oben geben sich wirklich viel Mühe", stellte Hannibal an- erkennend fest. Die Interesse ver- meldenden Kreuzchen wurden beim Durchblättern schließlich so zahlreich, daß er betrübt fest- stellte: So viel Freizeit hat ja kein Mensch, um alles zu belegen. Und auf seinen Stammtischabend wollte er denn schließlich auch nicht verzichten. Aber ein Arran- 13