in der Nähe zum Studio des GLM befindet und die Entwicklung des Weltklimas darstellt. Eben- solche statistische Kurven hat Tuzharova in drei Dimensionen übersetzt und daraus die Formen ihrer Objekte abgeleitet. Es sind reale Kurven aus Statistiken, die Weltbank, UNESCO, UNO und EU im Internet veröffentlicht ha- ben und die die drängendsten Themen unserer Zeit darstellen: zum Beispiel die CO2-Bilanz der Erde, Flüchtlingsströme und Mi- litärausgaben, Bevölkerungsent- wicklung, Inflation oder Börsen- kurse. Diese sichtbaren und greifbaren Objekte ergänzt die Künstlerin durch ein Video und eine Soundinstallation, zeitge- nössische Medien, in denen die entsprechenden Daten in Licht- und Tonwellen übersetzt sind. Mit „retro spektiv“ wird das Studio des GLM optisch und akustisch neu definiert und der Blick auf die Sammlung des Hau- ses geschärft. Was zunächst als bloß dekoratives Objekt er- scheint und ästhetisches Wohl- gefallen weckt, wird durch das Hintergrundwissen um seine Entstehung zu einer kritischen Rauminszenierung. Im besten Fall schärft „retro spektiv“ den Blick auf die Sammlung des Mu- seums und die Reflektion über gesellschaftliche und globale Tendenzen der Gegenwart, die das Leben auf der Erde bedrohen. DR. SUSANNE SCHULTE I Und das, was als bloßes Orna- ment oder – im Falle der Gefäße – als schöne und praktische Rundform erscheint, ist kein bloß dekorativer Gegenstand. Von Diagrammen zu Skulpturen So tragen die abstrakten Formen konkrete Bedeutung – genau wie zum Beispiel die zackige Kurve an der Wand der Eiszeit-Koje der naturgeschichtlichen Daueraus- stellung des Museums, die sich GWK-Gesellschaft für Westfälische Kulturarbeit e.V. Die GWK ist ein gemeinnütziger Verein in Public-Private-Partnership, der ex- zellente junge Künstlerinnen und Künstler aus Westfalen-Lippe auf vielfältige Weise fördert. Zudem entwickelt und veranstaltet die GWK Kulturprojekte in der Region. Der Förderverein wird von mehr als 450 Mitgliedern und derzeit zehn Haupt- förderern getragen. Premiumpartner sind die Kulturstiftung der Westfälischen Provinzial Versicherung, der LWL-Landschaftsverband Westfalen-Lippe, die NRW.BANK und die Stiftung Westfalen Initiative, Förderpartner sind die Spar- kassen in Westfalen-Lippe, die Werner Richard-Dr. Carl Dörken Stiftung, die Theodor Cordes Stiftung, die BabyOne gGmbH, die Gelsenwasser Stiftung und Brillux. I Yoana Tuzharova Eine prominent besetzte Fachjury wählte in diesem Jahr die 26-jährige Installationskünstlerin Yoana Tuzharova aus 56 Bewerber:innen als GWK-Preisträgerin aus. Tuzharova, die heute in Köln lebt, wurde 1986 im bulgarischen Rus- se geboren. An der Fakultät für Bildende Künste in Veliko Tarnovo machte sie den Bachelor im Fach Monumentale Kunst und Wandmalerei und studierte anschließend Freie Kunst bei den Professoren Maik und Dirk Löbbert an der Kunstakademie Münster, wo sie von 2017 bis 2019 Meisterschülerin war. keit an alte Wandteppiche und antike Säulendekors denken las- sen. Darin greift Tuzharova tra- ditionelle kunsthandwerkliche Techniken wie Töpfern, Schnit- zen und Drechseln, Drucken, Bemalen und Weben auf, jedoch in transformierter Art und Wei- se. Denn sie hat ihre Objekte nicht handgemacht, sondern de- ren Formen maschinell errech- net und die Gegenstände mithil- fe des Computers und von Hightech-Maschinen hergestellt. GWK-Förderpreis Kunst Der GWK-Förderpreis Kunst ist einer von vier Preisen, den die Gesellschaft jährlich in den Sparten bildende Kunst, klassische Musik und Literatur auslobt. Mit den Förderpreisen zeichnet der gemeinnützige Verein mit Sitz in Münster junge Künstler:innen aus Westfalen-Lip- pe aus, die in ihrer Sparte überdurchschnittliche Leis- tungen erbracht haben und Herausragendes auch für die Zukunft erwarten lassen. Über die Vergabe der Preise entscheiden drei Fachjurys. Der Kunstpreis ist mit ei- nem Preisgeld, einer Ausstellung in einer renommierten westfälischen Institution (2022 im Gustav-Lübcke-Mu- seum in Hamm), einem Katalog und der Aufnahme in ein langfristiges Förderprogramm dotiert. I 30