Westeuropa und Rußland. Am En- de des 19. Jahrhunderts war aus der Spielzeugherstellung Anden- ken- und Nippes-Schnitzerei ge- worden. Die Bergleute des Erzgebirges waren schon im 16. Jahrhundert auf Nebenverdienste angewie- sen. Als in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts die meisten Silber- erzgruben geschlossen wurden, mußten sie endgültig auf andere Erwerbsmöglichkeiten auswei- chen. Möbel und Gebrauchsge- räte aus Holz waren schon lange für den Eigenbedarf selbst herge- stellt worden, besonders nach Einführung der Drechselbank im 16. Jahrhundert. Daraus ent- wickelte sich eine Heimarbeitin- dustrie von Schnitzern und Drechslern mit dem Zentrum Seif- fen. Die Kunstfertigkeit führte dann auch, wohl am Ende des 18. Jahrhunderts, zur Spielzeugher- stellung, über die K.A. Engelhardt in Merkels Erdbeschreibung 1804 berichtet: „Man fertigt jetzt außer zahllosen Arten von Figu- ren, Kästchen und Büchschen, kleinen und großen Gruppen klin- gendem, quiekendem, bellen- dem und knarrendem Spielzeug besonders die jetzt so beliebten kleinen Häuser, Paläste, Kirchen, Bäume, Zelte, Mauern, Bauhölzer etc., aus welchen Kinder nach Gefallen ganze Städte, Festun- gen, Klöster, Gärten, Ställe, Schuppen usw. zusammensetzen können. Alle diese Artikel werden in kleineren oder größeren Quan- titäten schachtelweise verpackt und so, unter dem Namen Seiffe- ner Spielzeug, in alle Welt versen- det." Bis heute sind die „Miniatu- ren" und „Städte in Schachteln", die wie die Puppenhäuser Spie- gelbilder des Lebens im Erzgebir- ge sind, weltbekannt. Die charak- teristischen Weihnachtsfiguren: Engel und Bergmann als Lichtträ- ger, Räuchermännchen, Weih- nachtspyramide und Hänge- leuchter kamen erst im Laufe des 19. Jahrhunderts hinzu. Die Erzgebirgsfigure,n unter- scheiden sich von allem anderen Holzspielzeug dadurch, daß sie aus gedrechselten Teilen zusam- mengesetzt und nicht geschnitzt sind. Unter den Drechselarbeiten gibt es außerdem noch eine Seif- fener Erfindung: die Reifentiere. Von gedrechselten Reifen, die das Profil der gewünschten Tiere aufweisen, wurden bis zu 60 Tiere abgespalten und einfach be- schnitzt, zu Anfang noch von den Familienmitgliedern des Drechs- lers, dann von speziellen Schnitz- lern und deren Familien. Da diese Erzeugnisse, die noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu Millionen hergestellt wurden, den Schnitz- lern wenig Geld einbrachten, hie- ßen sie auch „Pfeng-" oder „Elendsvieh". Die exotischen Tie- re von den ca. 200 nachgewiese- nen Tierarten, die auf diese Weise hergestellt wurden, waren für die „Arche Noah" bestimmt, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Exportschlager war. Der letzte Reifendreher in Seiffen hat die handwerkliche Tradition 1949/50 noch weitergegeben, so daß seit 1984 wieder 10 Reifendreher im Erzgebirge arbeiten. Die Bergleu- te benutzten aber auch ihre Kenntnisse vom Bau mechani- scher Bergwerke, die sie bereits im 16. Jahrhundert vorgeführt hatten, für die Spielzeugherstel- lung. Im Laufe des 19. Jahrhun- derts entwickelten sie die sog. Klimperkästen, auf denen ganze Volksszenen oder Karussells in Bewegung zu setzen und mit Klang verbunden waren. In allen Zentren der Holzspiel- warenherstellung ist festzustellen, daß vom Ende des 18. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die Zahl der Schnitzer, Drechsler, aber auch der Anteil der Gesamt- bevölkerung an der Produktion, erheblich angestiegen ist. Diese wachsende Nachfrage nach Spielzeug war der allmählichen Entwicklung des Weihnachtsfe- stes zu einem Geschenkfest auch für Kinder von Bürgerfamilien zu verdanken. Für die Hersteller be- deutete dies Arbeitseinsatz der ganzen Familie einschließlich der Kinder und über den 14-Stun- dentag hinaus, Nachtarbeit in den Monaten vor Weihnachten, denn Spielzeug war ein Saisonartikel, wurde nur zu diesem Fest ge- kauft. Der Arbeitseinsatz brachte aber keinesfalls einen Anstieg der Löhne und eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse der Spielzeugmacher. Mit dem stei- genden Bedarf und der Auswei- tung der Märkte waren sie zeitlich nicht mehr in der Lage, mit ihren Erzeugnissen selbst auf Märkte und Messen zu gehen. Auch die reisenden Handler, die direkt beim Hersteller für einen von ihm bestimmten Preis kauften, konn- ten die Nachfrage nicht mehr er- füllen. Seit dem 18. Jahrhundert, in Berchtesgaden sogar schon früher, hatten sog. Verleger den Handel übernommen. Handels- niederlassungen in west- und nordeuropäischen Ländern, aber auch in Rußland gegründet und für weltweiten Handel gesorgt. Das deutsche Handelszentrum für Spielzeug war bereits im 17. Jahrhundert Nurnberg und blieb es bis in die Gegenwart. Unter „Nürnberger Tand", für den es Fortsetzung auf Seite 11 JANUAR 1991 Ilse Bintig erhielt den Alfred-Müller-Felsenburg-Preis für aufrechte Literatur Der Alfred-Müller-Felsenburg- Preis für aufrechte Literatur wird im Jahre 1990 zum 3. Mal verge- ben. Die Preisträgerin ist die Kin- derbuchautorin Ilse Bintig aus Hamm. In der Verleihungsurkun- de heißt es: „Die in Hamm geborene und wirkende Autorin verknüpft in ih- rer Person kreativ-schöpferische Kraft mit verantwortlich-tätigem, erzieherischem Eros. Zeitlebens hat sie diese Doppelfunktion in Ilse Bintig festem Grundsatzverständnis un- aufhebbarer humaner Werte durchgetragen und umgesetzt. Ihre Schriften zeichnen unge- schminkt und liebevoll zugleich das Umfeld, die Welt und das Leben von Kindern und Jugendli- chen. Ilse Bintig weist darüber hinaus Wege, Dasein zu gestal- ten, ohne Realität und Sinnge- bung für das Wahre und Gute aus den Augen zu verlieren. Werk und Existenz der Dichte- rin sind dergestalt verzahnt, daß eines nicht vom anderen zu tren- nen ist. Anders gesagt: Wort und Tat stehen bei ihr für dasselbe Prinzip des Seins. Und weil ihre Fähigkeit, Sprache transparent für Menschen unserer Zeit ;t.i ma- chen, nicht nur individuellen und subjektiven, sondern auch allge— meinverbindlichen Ansprüchen vollauf genügt, sie gewisserma- ßen überhöht, kommt ihr, die stets im Rahmen ihrer Herkunftsregion Ruhrgebiet arbeitet und sie den- noch grenzüberschreitend für an- dere öffnet, um generell Mensch- liches zu postulieren, diese Eh- rung zu!" Veröffentlichungen von Ilse Bintig: Ober 100 Erzählungen für Kin- der und Erwachsene im Hörfunk (WDR u. SFB) . Ca. 30 Spielstücke im Deutschen Theaterverlag, Weinheim „Der Riesenpeter", Kinder- buch, Verlag Herder, Freiburg, 1984, z. Zt. vergriffen. „Die Gartengeister", Kinder- buch, Verlag Herder, Freiburg, 1985, z. Zt. vergriffen. „Lieber Hanno", Briefroman, Verlag Herder, Freiburg, 1986 (drei Auflagen). „Lieber Hanno", Taschenbuch „litera-Reihe", Arena Verlag (Westermann) Beitrag in „Die Superrutsche", Verlag Herder, Freiburg, 1987. „Motze Glotzenguck und das schwingende, singende Ayagak", Kinderbuch, Pick Verlag, Köln, 1988. „Der Wiesenkönig", Bilderbuch mit Heide Mayr, Pick Verlag, Köln, 1988. Beitrag in „Ernten und Teilen", Klens Verlag, Düsseldorf, 1988. Beitrag in „Alles hat seine Zeit", Buch zum Kirchentag 1989, Pressdienst Bielefeld. „Ruhrpotträuber", Kinderbuch, Hrsg. WDR Köln, Pick Verlag Köln, 1989. „Beiträge in „Das Weihnachts- karussell", Hrsg. H. Peuckmann, Pick Verlag. „Luftballons für Karsten", Mut- machgeschichten, Georg Bitter Verlag, Recklinghausen, 1990. „Unterm Strohdach", Westfäli- Herdfeuergeschichten, sche Hrsg. WDR Köln, Pick Verlag, Köln, 1990. Hochdeutsche und plattdeut- sche Ausgabe Beitrag in „Geistes Kinder", Buch zum Kirchentag 1991, RAST Dortmund. „Dominik und Löwenmähne" (_Arbeitstitel), Kinderbuch zum Theme Gefühle, erscheint Herbst 1991 im Verlag Georg Bitter. Schon 1989 hatte Ilse Bintig den 1. Preis im Schreibwettbe- werb des WDR 4 erhalten. Febrii- Ihr Partner fur Büroeinrichtung Göpel Bilrolechn*, An der I31, War' Finale Seest, Ulacheretr. 5 7