14. JANUAR 1989 7 Die Rolle der Franziskaner im innerstäd- tischen Leben der deutschen Stadt des Mittelalters, die erheblich war, ist bisher kaum untersucht worden. Vgl. das Kapitel „Die Bettelorden", in: zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA A. Schröer, Die Kirche in Westfalen vor der Reformation. Verfassung und geistliche Kultur, Münster 1967; D. Henniges OFM, Eine Frieden- sinsel von brandenden Wogen fortge- spült. Das Franziskanerkloster zum Hamm, Hamm 1924. — Es existiert ein ausführlicher zeitgenössischer Bericht Ober die Gründung des Franziskanerklo- sters (Observanten)1455, den der De- chant der Patrocli-Kirche von Soest an- fertigte. Er enthält auch die Gründungs- bulle, die man eigens von Papst Nikolaus V 1453 erwirkt hatte. Darin hieß es, etwas ausschweifend: „De bonis sibi a Deo collatis unam domum dicti ordinis in quodam suo opido Hamme nuncupato magno et populoso Comitatu et Diocesi prefatis consistente in loco ad hoc con- gruo et fratrum dicti ordinis inibi pro tempore altissimo pro sua et progenitor- um ac heredum et consanguineorum suorum animarum salute famulaturorum cum Ecclesia, Ortis, Ortaliciis, Campanili, Campanis et alliis necessariis officinis fundare, construere, engere et edificare seu fundari, construi et edificari facere serventer exoptat dummode sibi super hoc Sedis Apostolice suffragetur aucto- rias." — Der langen und (hier nicht wie- dergegebenen) längeren Rede kurzer Sinn: Papst Nikolaus gewährt dem Gra- fen Gerhard von der Mark sowie seinen Nachkommen für deren Seelenheil die Gründung eines Fransziskaner-(Obser- vanten-)Klosters in Hamm mit allem, was dazu gehört: Kirche, Gärten, Gartenein- richtungen, Kirchturm, Feldern und den nötigen Werkstätten.(Abdruck in: Johann Diederich von Steinen, Westfälische Ge- schichte, T. 4, Lemgo 1760 (Nachdruck Münster 1964) Angang Nr. 20, S. 677 ff.). 8 H. Stoob, Grundrißbild und Entwicklung der Altstadt in Hamm bis 1830, in: 750 Jahre Stadt Hamm, S. 13-21. 9 Abruck des Gedichtes bei Steinen (s. A 7), S. 684-688. Die erste der hier zitierten Strophen lautet im Original: „Confluunt amnes bene pisculenti Asa si findit, geminoque cornu Oppidum cingit, fluitat quaterno Luppia cursu." Murmellius aus Roermond verfaßte auch ein Gedicht auf die Stadt Münster. Zur humanistischen Stadtlyrik, damals sehr en vogue, vgl. 0. Borst, Babel oder Jeru- salem? Sechs Kapitel Stadtgeschichte, Stuttgart 1984, S. 60 if — Johannes Murmellius (1480-1517) stammte aus dem heute holländischen Roermond. Er besuchte wie der 16 Jahre ältere Eras- mus von Rotterdam zuvor die Schule von Alexander Hegius in Deventer, damals ein Zentrum des nordwestdeutschen Hu- manismus, anschließend die Universität Köln, wo er 1500 das Lizentiat erwarb und später zum Magister promovierte. Er wurde Konrektor an der Domschule in Münster unter Rudolf von Langen, der sich bemühte, Münster zu einer moder- nen humanistischen Hochschule auszu- bauen. Als 1506 die Pest in Münster ausbrach, siedelte Murmellius vorüber- gehend nach Hamm Ober. Er wohnte im Hamm des Pfarrers der Stadtkirche Her- mann Gockelen. Aus den Gesprächen und Kontakten mit den Freunden in Hamm entstand 1507 das Gedicht auf die Stadt Hamm, das einige konkrete historische Details einfängt, in anderen Strophen die Stadt bewußt typologisiert und lediglich als Topos verwendet. Aber auch die Typologisierung hat eine Funk- tion. Sie belegt, wie wichtig die Humani- sten die Städte nahmen, die ja das Um- feld ihrer eigenen Tätigkeit bildeten. 10 E Braudel, Die Geschichte der Zivilisa- tion. 15. bis 18. Jahrhundert, München 1971, S. 599. 11 A Schrder, Die Reformation in Westfa- len. Der Glaubenskampf einer Land- schaft, 2 Bde., Münster 1979 if. — Cleve- Mark verfolgte eine eher ausgleichende Politik zwischen den Konfessionen im 16. Jahrhundert (Albrecht Stenger, Quellen zur westfälischen Kirchengeschichte: Westfälische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 1 (Soest 1532, Cleve- Mark-Ravensberg 11533, Neuenrade 1564), Dortmund 1942. — Der älteste Bericht über die Reformationsgeschichte Hamms ist eine Denkschrift des refor- mierten Predigers Johann Hoffmann vom Anfang des 17. Jahrhunderts, der in sich bereits eine authentische Quelle ist und anschaulich die Enge und Angstlichkeit des innerstädtischen Konfessionalismus belegt, der nach der anfänglichen Auf- bruchstimmung der Reformation zu Be- ginn des 16. Jahrhunderts bald den reli- giösen Alltag der Städte bildete. Im Kern ging es in diesem Bericht um die Abwehr einer zweiten (lutherischen) Kirchen in Hamm, die der Kurfürst von Brandenburg für seine lutherischen Soldaten in der Stadt errichten wollte. Die Reformierten wehrten ab, da sie ihre eigene Position gefährdet sahen. 2 A Hartlieb von Wallthor, Höhere Schu- len in Westfalen vom Ende des 15. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Westfäli- sche Zeitschrift 107 (1957), S. 1-105. 13 H. Rothert, Westfälische Geschichte Bd. 2, Münster 41951, S. 167. 14 Hamm hatte in der Hanse allerdings nicht eine so zentrale Rolle gespielt wie die nahgelegene Stadt Soest. Einen gu- ten überblick über die Hanse in Nord- westdeutschland gibt: Ph. Do/linger; Die Hanse, Stuttgart 21976. 15 Zur preußischen Verwaltung in der Grafschaft Kleve-Mark im 18. Jahrhun- dert: Rothert (s. A 13), Bd. 3, S. 295-303. 16 Topog raph ia Westpha I ica 1647 (Nach- druck Münster 1961). über das Hammer Stadtleben während des Dreißigjährigen Krieges wird dort berichtet: „Anno 1622 war diese Statt von den Ligisten erobert. Anno 1633 im Decembri hat die Hessi- sche Besatzung eingenommen. Fol- gends haben die Kaiserlichen in ihren Gewalt gebracht. Daher im Mayen deß 34 Jahrs die Lüneburg- und Hessische wider darvor kommen und die Statt in der Nacht mit stürmender hand ersteigen. Anno 1636 bekam solche der keyserisch Feld-Marshall Götz in seinen Gewalt. An- no 41 litten die Hessischen vor Hamm Schaden, als sie solche Ort in Octobri zu erobern versuchten." 17 A. Overmann, Die Stadtrechte der Graf- schaft Mark: Hamm, Münster 1903, S. 82 18 Zur inneren Entwicklung in Preußen: FL. Carsten, Die Entstehung Preußens, Frankfurt 1981; H. Boldt, Deutsche Ver- fassungsgeschichte Bd. 1, München 1984, S. 208-246. Generell: G. Barudio, Das Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung 1648-1779 (Fischer Weltge- schichte Bd. 25), Frankfurt 1981. 19 Uber die eigenartige innerstädtische Kultur der deutschen Klein- und Mittel- städte schreibt Mack Walker in seiner zusammenfassenden Analyse über „Ger- man Home Towns. Community, State an General Estate 1648-1871" (Ithaca u. London 1971, S. 5): „Aber die deutsche ,Heimatstadt' konnte nicht in einem Zu- stand der Bewegung und des Wandels leben; Stabilität und Abgeschlossenheit waren die Bedingungen ihrer Existenz." Walker weist darauf hin, daß die Unter- schiede zwischen den (freien) Reichs- städten und den (abhängigen) Landstäd- ten faktisch nicht so groß waren, wie es dem Unterschied in dem verfassungs- rechtlichen Status entsprach. „Home- towns" gab es überall in Deutschland. Die innere Atmosphäre dieser Städte, ihr Le- bens- und Konversationsstil wird ein- prägsam in der kleinen Verserzählung „Hermann und Dorothea" (1798) von Goethe eingefangen, insbesondere in dem dritten Gesang, überschrieben „Die Bürger". Auch in Hamm pflegten bürgerli- che Kaufleute, Geistliche, Offiziere und Lehrer des Gymnasiums im 18. Jahrhun- dert den Kontakt miteinander. Später im 19. Jahrhundert traten an die Stelle der Offiziere die Anwälte und Richter des Oberlandesgerichts. Die auf Behaglich- keit eingerichtete innerstädtische Kultur blieb dabei erhalten. 28 Cocceji berichtete 1749 über die Ge- richtsverhältnisse in Kleve- Mark an Friedrich den Großen: „Die meisten Rich- ter sind unvernünftige und hungrige Leu- te, die in ihrem Distrikt allein regieren, keine Assessores haben, folglich nie- mand ist, der ihnen auf die Hände Adh- tung geben kann. Sie sind privilegierte Räuber, welche von keiner Ordnung wis- sen, die Prozesse in der äußersten Konfu- sion traktieren und die Untertanen durch die schweren Prozeßkosten bis aufs Blut aussaugen." Vgl. Rothert (5. A. 15), S.303. 21 Zum preußischen Militäralltag:K Schwieger; Militär und Bürgertum. Zur gesellschaftlichen Prägekraft des preußi- schen Militärsystems im 18. Jahrhundert, in : D. Blasius (Hrsg.), Preußen in der Deutschen Geschichte (Neue Wissen- schaftliche Bibliothek Bd. 111), König- stein/Ts. 1980, S. 179-200. (Der Beitrag geht auch detailliert auf die Verhältnisse in der Mark ein.) 22 Es existiert ein rührender Augenzeu- genbericht, der deutlich macht, wie di- stanziert das städtische Bürgertum dem gesamten militärischen Geschehen ge- genüber stand. Man hatte nur Mitleid mit den verwundeten und gefallenen Solda- ten gleich welcher Partei. Es gab keinen Kriegsrausch im 18. Jahrhundert (JA. Möller; Spezial-Geschichte von Lippstadt, Lippstadt 1788, S. 215 ff.). 23 Hamm. Chronik einer Stadt, S. 80 und 194. 24 Die Angaben beruhen auf einem Be- richt des Steuerrats Motzfeld aus dem Jahre 1722 (s.A 22), S. 195. 25 G. Kaldewei, Stuniken und Vorschulze. Zwei Hammer Bürgerhäuser. Eine haus- geschichtliche Studie, Hamm 1982. — Die erste Stadtgeschichte: JA. Möller, Kurze historisch-genealogisch-statisti- sche Geschichte der Hauptstadt Hamm und der ursprünglichen Entstehung der Grafschaft Mark, Hamm 1803 (Nach- druck: Osnabrück 1975). 26 Etwas verharmlosend: H.H. Klein, Karl Friedrich von Wolffersdorff. Ein streitbarer Sachse im Dienste Friedrichs des Gro- Ben, Osnabrück 1984. — Kritisch über die militärisch-politische Funktion des Städtebaus in Garnisons- und Residenz- städten L Mumford, Die Stadt. Ge- schichte und Ausblick, Bd. 1, München 1979, S. 430 f. — Eine anschaulische Beschreibung der selbstherrlichen Akti- vitäten Wolffersdorffs, der gelegentlich in der Nacht Bürgermeister und Magistrat der Stadt in Nachtgewand und 2ipfelmilit- ze zu sich zitieren ließ, um sie auf hygieni- sche oder bauliche Mißstände in der Stadt aufmerksam zu machen, liefern die Erinnerungen Eylerts (R.F. Eylert, Charak- terzüge und historische Fragmente aus dem Leben des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm II., Dritter Theil, 1. Abt, Magdeburg 1846). 27 Am informativsten, wenngleich in der historisch-politischen Zuordnung nicht mehr haltbar, ist nach wie vor die Biogra- phie von G. Ritter, Freiherr vom Stein. Eine politische Biographie, 11931, (Nach- druck als Fischer-Taschenbuch) Frank- furt 1983. 28 In dieser Denkschrift findet sich auch Steins politische Philosophie: „Auch mei- ne Diensterfahrung überzeugt mich innig und lebhaft von der Vortrefflichkeit zweckmäßig gebildeter Stände, und ich sehe sie als ein kräftiges Mittel an, die Regierung durch die Kenntnisse und das Ansehen aller gebildeten Klassen zu ver- stärken, sie alle durch überzeugung, Teilnahme und Mitwirkung bei der Natio- nal-Angelegenheit an den Staat zu knüp- fen, den Kräften der Nation eine freie Tätigkeit und eine Richtung auf das Ge- meinnützige zu geben, sie vom müßigen sinnlichen Genuß oder von leeren Hirn- gespinsten der Metaphysik, oder von Verfolgung bloß eigennütziger Zwecke anzulenken und ein gut gebildetes Organ der öffentlichen Meinung zu erhalten, die man jetzt aus Äußerungen einzelner Manner oder einzelner Gesellschaften vergeblich zu erraten bemüht ist." (Denk- schrift Steins „Uber die zweckmäßige Bildung der obersten und der Provinzial-, Finanz- und Polizey-Behörden in der preußischen Monarchie" (Nassauer Denkschrift vomJuni 1807), in: E Botzen- hart (Hrsg.), Freiherr vom Stein. Briefe und amtliche Schriften Bd. 2, Stuttgart 1959, S. 380-398, hier: S. 391. 29 E. Botzenhart, Karl Freiherr vom Stein 1757-1831, in: Die Großen Deutschen. Deutsche Biographie, hg. H. Heimpel, I Heuss, B. Reifenberg, Frankfurt 1956, S. 413-432. 3° H.-J. Behr; Die Provinz Westfalen und das Land Lippe 1813-1933, in: Westfäli- sche Geschichte Bd. 2, hg. W Kohl, Düsseldorf 1983, S. 861.— In der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand der etwas verwaltungsmäßig trocken ausgefallene Bericht „Beschreibung und kurze Ge- schichte des Kreises Hamm" von M.F. Esselen (Hamm 1851), zugleich ein Be- leg dafür, wie schwierig es war, die verlo- rengegangene Tradition der eigenen Stadtgeschichte wachzurufen. — Zur Selbstverwaltung der Städte in der preu- ßischen Provinz Westfalen vor 1848 das Kapital „Fesselung der kommunalen Selbstverwaltung", in: W Schulte, Volk und Staat. Westfalen im Vormärz und in der Revolution 1848/49, Münster 1954, S.45-53. — Zur Entwicklung der Stadt im 19. Jahrhundert: 0. Krabs, Hamm. Beiträ- ge zur Geschichte der Stadt im 19. Jahr- hundert, Diss. Göttingen 1964. 31 H.-U. Wehler, Vom radikalen Frühso- zialismus des Vormärz zur liberalen Par- teipolitik der Bismarckzeit Friedrich Kapp,. 1842-1884, in: H.-U. Wehler, Kri- senherde des Kaiserreichs 1871-1918, Göttingen 1970, S. 240. 32 A.a.O., S. 237.- Dazu: Friedrich Kapp Briefe 1843-84, hg. H.-U. Wehler, Frank- furt 1969 (Sammlung Insel). 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